Die russische Aggression gegen die Ukraine löste eine Menschenrechtskatastrophe aus, so Amnesty International in einer Medienmitteilung. In Folge der Invasion am 24. Februar 2022 begingen russische Truppen zahlreiche Kriegsverbrechen und andere Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht, darunter aussergerichtliche Hinrichtungen, Angriffe auf zivile Infrastruktur und Unterkünfte, Verschleppungen und Zwangsumsiedlungen von Zivilpersonen.
Durch die Bombardierung von Städten wurden rechtswidrige Tötungen in enormem Umfang verübt, so Amnesty weiter. Zehntausende Fälle von Kriegsverbrechen, einschliesslich sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt, seien bereits erfasst. Angesichts der andauernden russischen Offensive werde die tatsächliche Zahl der Opfer aber noch viel höher sein. Die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden, so Amnesty International.
In unmittelbarer Reaktion auf den Konflikt seien eine Reihe von internationalen und nationalen Untersuchungen wegen mutmasslicher Völkerrechtsverbrechen eingeleitet worden. Umfassende Gerechtigkeit könne jedoch nur erreicht werden, wenn den Opfern Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zuteil würden. Dazu müsse die internationale Gemeinschaft die bestehenden Justizmechanismen zuverlässig und nachhaltig unterstützen.
Angesichts der hohen Zahl an Kriegsverbrechen müssten zudem neue nationale und internationale Verfahren in Betracht gezogen werden, so Amnesty weiter. Dazu gehöre die unabhängige Untersuchungskommission, die im März 2022 vom Uno-Menschenrechtsrat eingesetzt wurde. Auch die Ahndung des völkerrechtlichen Verbrechens der Aggression müsse möglich werden. Bisher könne das Verbrechen der Aggression aufgrund der begrenzten Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs ICC nicht strafrechtlich verfolgt werden.
Die Entwicklung solcher Verfahren könne komplex sein, aber es sei unbedingt erforderlich, dass nicht nur gegen die direkten Verantwortlichen auf niedriger Ebene, sondern auch gegen die oberste Befehlskette ermittelt werde, so Amnesty. Gerichtsverfahren müssten den internationalen Menschenrechtsstandards und den Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen, wobei die Überlebenden und ihre Bedürfnisse umfassend berücksichtigt werden müssten.
Auch bei der Bereitstellung humanitärer Unterstützung müsse die internationale Gemeinschaft die besonderen Bedürfnisse von Risikogruppen – wie Frauen, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Kinder – berücksichtigen, so die Mitteilung. Sie müsse bedenken, dass viele Menschen, darunter auch Kinder, aus der Ukraine nach Russland verschleppt oder in die von Russland besetzten Gebiete zwangsumgesiedelt worden seien und nicht sicher nach Hause zurückkehren könnten.
Die Zusammenarbeit mit der ukrainischen Zivilgesellschaft sei ebenfalls von entscheidender Bedeutung, um die Bedürfnisse der Überlebenden in den Vordergrund zu stellen und sicherzustellen, dass wirtschaftliche und humanitäre Hilfe zu den Personen gelange, die sie am dringendsten bräuchten.
Amnesty fordere die Schweiz dazu auf, die bestehenden und möglicherweise noch zu schaffenden internationalen Justizmechanismen finanziell und politisch zu unterstützen. Amnesty begrüsse die Schaffung einer Taskforce zur Ukraine wenige Monate nach Kriegsbeginn und rufe die Bundesanwaltschaft dazu auf, regelmässig und transparent über deren Tätigkeiten und Erfolge zu informieren. Betroffene müssten niederschwelligen Zugang haben, um Zeugnis von möglichen Kriegsverbrechen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts ablegen zu können.