Jährlich sterben in der Schweiz ungefähr 1´000 Menschen an Suizid. Rund eine halbe Million Menschen in der Schweiz haben Suizidgedanken und über 200´000 unternehmen in ihrem Leben mindestens einen Suizidversuch. Durch einen solchen Versuch steigt das Suizidrisiko um das 40- bis 60-fache und das Risiko bleibt über Jahre hinweg hoch. Diese Zahlen nennen die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern UPD in der Beschreibung zu einem Projekt, das sich dieser Thematik annimmt.
Obwohl es wirksame Behandlungen für Menschen nach einem Suizidversuch gebe, würden solche Angebote nur von der Hälfte der Betroffenen angenommen. Die anderen fürchteten Stigmatisierung oder erlebten starke Scham und Schuldgefühle. Besonders riskant seien die Übergänge und Wechsel im Behandlungssetting. Die Vernetzung zwischen Kliniken, Nachbehandelnden und Angehörigen sei oft unzureichend.
Das Kurzinterventionsprogramm nach Suizidversuch, Attempted Suicide Short Intervention Programme ASSIP, wurde an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bern entwickelt und evaluiert, um auf diese Situation eine Antwort zu finden. Es sei zentral, dass Menschen nach einem Suizidversuch routinemässig Zugang zu einer wirksamen und suizidspezifischen Behandlung hätten. Das Programm, so die UPD, senke das Risiko für weitere suizidale Handlungen um annähernd 80 Prozent bei lediglich drei bis vier Sitzungen mit einem anhaltenden, losen Kontaktangebot über zwei Jahre hinweg.
Gleichzeitig sei das Programm 96 Prozent kosteneffektiver als die reguläre Behandlung. So fördere ASSIP problemfokussierte Bewältigungsstrategien und vermindere dysfunktionales Verhalten. Behandelnde Fachpersinen der Grund- und Notfallversorgung hätten ein grosses Bedürfnis nach einem wirksamen Angebot für die Nachsorge nach Suizidversuchen, so der Projektbeschrieb.
Das Programm ist als aufsuchende Nachsorge gemeint. Suizidversuche, Suizide und Rehospitalisierungen sollten damit vermindert werden. Dabei, so der Beschrieb, solle das Selbstmanagement der Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen gestärkt werden, um ein sicheres Ankommen im individuellen Alltag zu gewährleisten. Durch eine verbesserte Vernetzung und Koordination über die gesamte Versorgungskette sollten verlässliche Beziehungen zwischen Fachpersonen sowie Patientinnen und Patienten etabliert sowie die Betreuungs- und Behandlungskontinuität gewährleistet werden.
Das Bundesamt für Gesundheit BAG hat gemeinsam mit anderen Akteurinnen und Akteuren den Nationalen Aktionsplan Suizidprävention verabschiedet. Damit soll ein Beitrag zur Reduktion suizidaler Handlungen während Belastungskrisen oder psychischen Erkrankungen geleistet werden, heisst es dazu vom BAG.
Das ASSIP-Projekt wird von der UPD Bern geleitet und bezieht Partnerkliniken in den Kantonen Zürich, Waadt und Neuenburg mit ein. Seit Oktober 2021 wird das Programm im Kanton Bern auch als Behandlung zuhause angeboten, um Betroffene mit eingeschränkter Mobilität zu erreichen und das Umfeld mit einzubeziehen.
Im Rahmen des Projektes soll die suizidspezifische, wirksame Kurztherapie in mobiler Form zu den Menschen nach Hause gebracht werden, um so niederschwellig die Versorgungslücke zwischen stationärer und ambulanter Behandlung zu schliessen. Mit dem Angebot sollten Autonomie und Selbstbestimmung der Betroffenen gestärkt werden, heisst es dazu. Durch die Behandlung im häuslichen Umfeld könne zudem das Helfernetz der Betroffenen intensiver in die Nachsorge mit einbezogen werden.
Das Projekt wirke an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung und versuche, die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gesundheitsfachpersonen zu vereinfachen, heisst es in einem Fachbeitrag zum Thema. Dadurch solle letztlich auch die Wirksamkeit der suizidpräventiven Behandlung nachhaltig verbessert werden.
Im Rahmen des Projekts ollen zudem beteiligte Gruppen wie Hausärztinnen und Hausärzte, Notfallzentren, Kliniken, Spitexmitarbeitende oder Angehörigenorganisationen in der Erkennung suizidaler Menschen und im Umgang mit ihnen geschult werden, heisst es weiter. Durch die Bereitstellung von Informationsmaterial und die Schulung wichtiger Schlüsselpersonen solle die Multiplikation von Grundwissen im Bereich der Suizidprävention und des Umgangs mit suizidgefährdeten Personen gefördert werden.
Die Bereiche Theologie und Sozial-Diakonie der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn möchten kirchliche Netzwerke mit ASSIP zusammenbringen und organisieren dafür kurze Informationsveranstaltungen per Zoom sowie eine Kurzschulung im Berner Haus der Kirche. Die beiden Angebote sind für Amtsträgerinnen und Amtsträger sowie Seelsorgende in Institutionen konzipiert. Willkommen sind laut Information der Kirche auch andere in der Kirche tätige Personen und am Thema Interessierte.