Die Biologie wird zur Schlüsseltechnologie der nächsten Jahrzehnte, so das Gottlieb Duttweiler Institut in einer Medienmitteilung. Sie verändere die Strukturen und Prozesse der Wirtschaft nachhaltig. Die Bioökonomie als neue Wirtschaftsform entstehe, so die neue Studie «Das Zeitalter der Biologie – Wie sich die Beziehung zwischen Mensch, Natur und Technik verändert».
Biologie etabliere sich als Megatrend und Schlüsseltechnologie für eine nachhaltige Zukunft, heisst es in der Einleitung der Studie. Sie sei essenziell, um die Herausforderungen einer begrenzten Biosphäre zu meistern und eine Übernutzung der Ressourcen des Planeten zu verhindern. Fortschritte in Biotechnologie und Mikrobiologie revolutionierten die Art und Weise, wie produziert, konsumiert und mit der Umwelt interagiert werde, indem sie eine Wirtschaft förderten, die auf regenerativen statt auf industriellen Prinzipien basiere.
Die Biologisierung der Wirtschaft bedeute, dass die Grundbausteine für Materialien, Chemikalien und Energie aus erneuerbaren biologischen Ressourcen gewonnen würden, so die Studie. Dabei komme der Nutzung biologischer Prozesse und Organismen in der Produktion, der Verarbeitung und im Vertrieb von Gütern und Dienstleistungen eine entscheidende Bedeutung zu.
Eine repräsentative Befragung in der Schweiz im Rahmen der Studie bestätige auch einen Wertewandel von einem auf den Mensch zentrierten zu einem ökozentrischen Weltbild, so die Mitteilung weiter. Es zeige sich ein Trend zur Gleichstellung aller Lebewesen und eine zunehmende Anerkennung der Natur als integraler Bestandteil des menschlichen Lebens.
Der Wert der Bioökonomie werde voraussichtlich bis 2030 auf bis zu 30 Billionen Dollar steigen, heisst es seitens Gottlieb Duttwiler Institut weiter. Die Branche stehe vor einem signifikanten Wachstum. So basiere Bioökonomie auf biologischenInnovationen, die die Produktionsweisen umweltfreundlicher machen sollen, indem sie nachwachsende Materialien und Energiequellen nutzen. Technologische Durchbrüche wie das Züchten von Organen und die Erzeugung von Treibstoffen aus Algen stünden exemplarisch für diesen Fortschritt.
Wir stehen heute an der Schwelle von einer industriellen zu einer biobasierten Wirtschaft, so die Studie weiter. Das langfristige Ziel der Bioökonomie sei eine Kreislaufwirtschaft mit biobasierten Herstellungsprozessen und nachwachsenden Materialien. Technologische Durchbrüche wie der Einsatz von Bakterien zur Zersetzung von Plastikabfällen und die Speicherung von digitalen Daten in Pflanzen-DNA stünden exemplarisch für diesen Fortschritt.
Die Ergebnisse einer Umfrage weisen laut Mitteilung auf einen Wertewandel von einem anthropozentrischen zu einem ökozentrischen Weltbild hin. Die Mehrheit der Befragten (90 %) empfindet demnach eine starke Verbindung zur Natur, unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildung. Die grosse Mehrheit (94,7 %) der Befragten stimmt die Naturzerstörung traurig und hält die Natur um ihrer selbst willen schützenswert.
Fast die Hälfte der Befragten (46,4 %) möchte die Natur vor menschlichen Eingriffen schützen und lehnt die Erschliessung neuer, bisher ungenutzter Flächen ab. Nur rund ein Zehntel empfindet die Bewahrung von unberührter Natur als naiv. Die meisten Befragten (45,9 %) lehnen den Einsatz von Wissenschaft und Technologie zur Kontrolle und Optimierung der Natur ab. Im Kontrast dazu steht die deutliche Zustimmung (68,7 %) für neue Entwicklungen auf Basis von Mikroorganismen.
Die Einstellung der Schweizer Bevölkerung zur Biotechnologie und zur synthetischen Biologie sei jedoch von Vorsicht und einem Bewusstsein für potenzielle Risiken geprägt, so das Gottlieb Duttweiler Institut. Die Umfrageergebnisse zeigten einerseits, dass biotechnologische Anwendungen zur Reparatur von Umweltschäden und Gesundheitsproblemen mehrheitlich unterstützt würden. Die Hälfte der Befragten halte den Einsatz von Biotechnologie jedoch für riskant, besonders im Hinblick auf Missbrauch oder Unfälle.
Die These von der Trennung zwischen Menschen, Natur und Technik lasse sich nicht halten, so das Institut weiter. Im Zeitalter der Biotechnologie könnten Maschinen zu Organismen werden und vice versa. Die Natur inspiriere neue Produktionsmethoden, bei denen organische Rohstoffe verwendet und Systeme gezüchtet statt programmiert würden.
Die Autorinnen und Autoren der Studie skizzieren sodann vier Typen der Veränderung in Richtung der Bioökonomie. Pragmatiker, die ein Weiter in kleinen Schritten propagierten, und Öko-Puristen, die für ein technologiefernes Zurück zur Natur stünden, seien dabei in der Gegenwart verwurzelt. Tech-Optimisten, die ein bioökonomisches Vorwärts zur Natur auszeichnete, sowie Transhumanisten, die durch Überwindung der Biologie eine bessere Natur schaffen wollten, repräsentierten visionäre Zukunftsmodelle.
Die Transformation zur Bioökonomie brauche Zeit und durchlaufe verschiedene Phasen, heisst es am Schluss der Studie. Während der gegenwärtige Horizont des Pragmatismus und der vorsichtigen Optimierung mehr und mehr in Vergessenheit gerät, wird ein zweiter Horizont der Experimente und Disruption skizziert, bevon ein dritter Horizont der Visionen und langfristigen Planungen übernimmt.
In diesem dritten Horizont werde die Natur nicht länger als etwas gesehen, das es zu beherrschen oder zu schützen gelte, sondern als ein wesentlicher Teil eines grösseren Ganzen, von miteinander verbundenen Systemen, so die Studie.