Brüssel will Drittstaatenregel ausweiten: Brot für die Welt warnt vor «Flüchtlingsmarkt»

22. Mai 2025

Die EU plant, Asylsuchende künftig ohne Bezug in vermeintlich sichere Drittstaaten abzuschieben – Hilfsorganisationen sehen Rechtsstaat und Humanität in Gefahr.

Die EU-Kommission hat am 20. Mai die Neudefinition sogenannter «Sicherer Drittstaaten» vorgestellt. Zentral ist die Streichung des bisherigen «Verbindungselements», das verlangte, dass Schutzsuchende das betreffende Land vorher betreten hatten. Künftig könnten Asylsuchende ohne Einzelfallprüfung in Staaten abgeschoben werden, zu denen sie keinerlei Bindung haben. Die neue Bundesregierung in Berlin hatte einen solchen Schritt gefordert.

Die evangelische Hilfsorganisation Brot für die Welt reagierte mit scharfer Kritik. Migrationsexperte Andreas Grünewald erklärte, die Reform «degradiere schutzsuchende Menschen zu einer handelbaren Ware». Sie ermögliche es der EU, Schutzsuchende in Länder auszuweisen, «in denen ihre Sicherheit kaum gewährleistet ist». Um aufnahmebereite Partnerinnen und Partner zu gewinnen, werde Brüssel «lukrative Anreize schaffen – beispielsweise durch höhere Entwicklungsgelder». Damit drohe der «Flüchtlingsschutz zu einem Flüchtlingsmarkt» zu werden, so die Meldung.

Grünewald warf der EU vor, es gehe nicht um «gute und sichere Lösungen» für Geflüchtete, sondern um Wege, Asylgesuche pauschal abzuweisen. Dies sei «aus rechtsstaatlicher Perspektive höchst fragwürdig, aus humanitärer Perspektive eine Katastrophe – und praktisch kaum umzusetzen». Mit dem Vorhaben verliere man an politischer Integrität und komme keiner Lösung migrationspolitischer Herausforderungen näher, heisst es gemäss Mitteilung.

Brot für die Welt erinnert daran, dass das Konzept sicherer Drittstaaten bereits jetzt umstritten ist, weil weder die Genfer Flüchtlingskonvention noch der Europäische Gerichtshof menschenrechtskonforme Verfahren in vermeintlich sicheren Ländern garantieren können. Eine Ausweitung ohne Verfahrensgarantien verschärfe die Gefahr von Kettenabschiebungen und Gewalt an den EU-Aussengrenzen.

Die Organisation fordert die Mitgliedstaaten auf, den Vorschlag abzulehnen. Statt Milliarden in Abschiebeabkommen zu investieren, solle die EU legale Zugangswege eröffnen, faire Verfahren sicherstellen und Fluchtursachen entschlossen bekämpfen. Nur so lasse sich die Glaubwürdigkeit des europäischen Wertesystems bewahren, betont Brot für die Welt.

Ob und wann Parlament und Rat über die Vorlage abstimmen, ist offen. Beobachterinnen und Beobachter rechnen mit zähen Verhandlungen, da mehrere Regierungen bereits signalisiert haben, die Vorschläge weiter verschärfen zu wollen.