Armut sei in der Schweiz eine Realität, so der Bundesrat in der Mitteilung. Rund 700 000 Menschen seien davon betroffen, das entspricht 8,2 % der ständigen Wohnbevölkerung. An seiner Sitzung vom 19. Juni 2024 hat der Bundesrat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) deshalb beauftragt, ein Konzept zu erarbeiten, um die bestehende Plattform gegen Armut in eine dauerhafte Struktur zu überführen. Zudem hat das Parlament in der Herbstsession eine Motion angenommen, die verlangt, dass die Plattform weitergeführt und eine Armutsstrategie erarbeitet wird.
Das Ziel, die Armut im Land zu reduzieren, sei noch nicht erreicht, heisst es dazu im Bericht des Bundesrates. Nachdem die Armutsquote von 2014 bis 2017 gestiegen sei, stagniere sie seither. Armutspolitik, die präventiv ausgerichtet sei und danach strebe, mögliche Armutsbedrohungen vorausschauend abzuwenden, habe dabei einen ausgeprägten Querschnittscharakter. So erfordere sie, Akteure aus unterschiedlichen Politikbereichen für die armutsrelevanten Aspekte ihrer Tätigkeitsfelder zu sensibilisieren und eine ebenso lösungsorientierte wie effiziente Zusammenarbeit über verschiedene Zuständigkeitsbereiche hinweg sicherzustellen. In vertikaler Hinsicht müssten die Aktivitäten von Akteuren aller drei Staatsebenen aufeinander abgestimmt werden.
Weiter sei der Dialog mit Nichtregierungsorganisationen zu pflegen, die in der Armutsbekämpfung eine sehr wichtige Rolle einnähmen und insbesondere auch Menschen erreichten, die nur bedingt in das bestehende System der sozialen Sicherheit integriert seien, so der Bericht weiter. Die Erfahrungen während der Corona-Krise hätten diesen Sachverhalt nachdrücklich belegt.
Mit dem nun beschlossenen Konzept nimmt der Bundesrat diese Anliegen auf, heisst es weiter. Der Bund schaffe damit den Rahmen für eine koordinierte und wirksame Armutspolitik. So habe das Parlament hat den Bundesrat 2020 beauftragt, ein Nationales Armutsmonitoring einzurichten. Der erste Monitoringbericht soll Ende 2025 vorliegen.
Das Innendepartement soll nun auf Basis dieses Berichts bis Mitte 2027 eine nationale Strategie zur Reduktion von Armut erarbeiten. Die Strategie soll unter anderem im Rahmen der Plattform gegen Armut umgesetzt werden. Diese Plattform diene seit ihrer Gründung im Jahr 2014 dazu, innovative Ansätze in der Armutspolitik zu verbreiten und die Vernetzung unter den vielfältigen Akteuren zu fördern.
Die Laufzeit der Plattform war ursprünglich bis Ende Jahr beschränkt, soll nun aber bis mindestens 2030 weitergeführt werden, so die Mitteilung. Kantone, Gemeinden und zivilgesellschaftliche Organisationen hätten sich mit grossem Nachdruck für die Weiterführung der Plattform ausgesprochen.
Bei der Planung und Realisierung der verschiedenen Aktivitäten werden wie bisher Menschen mit Armutserfahrungen einbezogen, so die Mitteilung weiter. Zu diesem Zweck soll ein eigenständiges Partizipationsgremium («Rat für Armutsfragen») geschaffen und in einer Pilotphase getestet werden. Dies entspreche dem Anliegen von Betroffenen, die an der Ausarbeitung eines entsprechenden Vorschlags beteiligt gewesen seien.
Voraussichtlich seien die Themen Familienarmutnd Nichtbezug von Sozialleistungen die ersten Schwerpunkte des Arbeitsprogramms bis 2027, heisst es im Bericht. Aus Sicht der Armutsprävention stehe die Situation von Familien dabei besonders im Fokus. Bestimmte Familien seien häufiger einem Armutsrisiko ausgesetzt.
Materielle Armut stelle ein beträchtliches Risiko für die kindliche Entwicklung dar. Eine aktuelle Forschungsstudie der Nationalen Plattform gegen Armut stellt demnach fest, dass sich in den letzten Jahren in Kantonen in Teilbereichen zwar viel bewegt hat und Kantone im Thema Familienarmut eine zentrale Rolle innehaben. Die grosse Mehrheit verfüge aber nicht über ausformulierte Strategien. Häufig würden Teilaspekte des sehr vielfältigen Themas Familienarmut in verschiedenen Departementen fragmentiert bearbeitet. Koordinationsstrukturen seien zwar vorhanden, die in der Praxis bestehenden Massnahmen griffen aber nicht optimal ineinander.
Eine weitere Studie habe insbesondere auch Handlungsbedarf in der Sozialhilfe geortet. In enger Abstimmung mit der SODK und weiteren Plattformpartnern werde darauf gestützt das Schwerpunktthema entwickelt und präzisiert. Mögliche Ansatzpunkte seien die Weiterentwicklung von Strategien und Koordinationsstrukturen sowie die angemessene Berücksichtigung der Familiensituation in der Sozialarbeit und speziell der Einbezug von Kindern.
In einem ersten Schritt gelte es, die Studienergebnisse prägnant aufzubereiten, so der Bericht. Sodann werde angestrebt, in innovativen Pilotprojekten Massnahmen weiterzuentwickeln und zu erproben, um so neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verbreiten. Regelmässige Austauschformate sollen demnach den Wissenstransfer unterstützen und kollektive Lernprozesse fördern.
Verschiedene Forschungsstudien hätten in den letzten Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass von einem namhaften Nichtbezug von bedarfsabhängigen Sozialleistungen in der Höhe von 20 bis 40 Prozent auszugehen sei. Erste Kantone und Gemeinden hätten darauf reagiert. Im Rahmen der Nationalen Plattform gegen Armut würden gemeinsam Hintergrund- und Sensibilisierungsmaterialien und konkrete Umsetzungsvorschläge erarbeitet.
Auf dieser Basis werde ein Aufruf für Pilotvorhaben lanciert, so der Bericht. In ausgewählten Projekten sollen demnach konkrete Massnahmen zur Prävention von Nichtbezug entwickelt und pilothaft erprobt werden. Dies gelte es sodann zu analysieren, Ergebnisse zu bündeln und auf eine schweizweite Anwendung hinzuwirken.
Während der Projektumsetzung solle ein regelmässiger Austausch der involvierten Akteure erfolgen. Bewährt habe sich bei früheren Projekten die Durchführung von regionalen Seminaren, da somit ein grösserer Kreis von Akteuren und insbesondere Gemeinden erreicht werden könne.