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Bundesrat will bessere Massnahmen gegen weibliche Genitalverstümmelung

Nov 26, 2020 | Archiv, Gewaltschutz

In der Schweiz leben schätzungsweise 22 400 Mädchen und Frauen, die von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen oder gefährdet sind, verstümmelt zu werden. Obwohl die sexuellen Verstümmelungen an Frauen in der Schweiz eine Straftat sind, kam es bisher nur zu einer einzigen Verurteilung.

An seiner Sitzung vom 25. November 2020 hat der Bundesrat laut Medienmitteilung nun einen Bericht verabschiedet, der verschiedene Massnahmen für einen besseren Schutz von Mädchen und Frauen vorsieht. Im Fokus stehen dabei neben der Strafverfolgung eine intensive Präventionsarbeit und die engere Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure.

Seit 2012 steht die Verstümmelung weiblicher Genitalien unter Strafe. Bestraft werden nicht nur Beschneiderinnen und Beschneider, sondern auch die Eltern oder Verwandten, die ein Mädchen beschneiden lassen, so der Bundesrat. Bestraft wird auch, wer die Beschneidung im Ausland durchgeführt oder ermöglicht hat. Diese strafrechtliche Verfolgung sei ein klares Signal und wichtiges Element in der Bekämpfung der weiblichen Genitalverstümmelung.

Der nun vom Bundesrat gutgeheissene Bericht zeige auf, dass die schweren Delikte innerhalb der Familie oder des sozialen Umfelds stattfänden und die Opfer in den meisten Fällen Kleinkinder oder Kinder seien. Die Verankerung der weiblichen Genitalverstümmelung in den unterschiedlichsten Kulturen und die starke Bindung der Betroffenen an die eigene Familie erschwerten deshalb die strafrechtliche Verfolgung.

Es zeige sich in den letzten Jahren, dass das Strafrecht allein kein Umdenken bewirke oder tief verwurzelte Überzeugungen und Wertesysteme verändern könne. Daher brauche es verschiedene und differenzierte Handlungsansätze, um diese schweren Körperverletzungen mit gravierenden seelischen Folgen nachhaltig zu bekämpfen.

Der Bundesrat setze deshalb auf einen umfassenden Lösungsansatz, der sich auf mehrere Säulen stützt: Strafverfolgung und Prävention, interdisziplinäre Vernetzung, Stärkung der nationalen und internationalen Zusammenarbeit sowie Betreuung und gesundheitliche Versorgung der betroffenen Mädchen und Frauen.

Der Bund beteiligt sich insbesondere an der Finanzierung des Netzwerks gegen Mädchenbeschneidung Schweiz, so die Medienmitteilung. Um ein umfassendes gesamtschweizerisches Bild der von der weiblichen Genitalverstümmelung bedrohten und betroffenen Mädchen und Frauen zu erhalten, sowie um die Wirksamkeit getroffener Massnahmen zu evaluieren, prüfe der Bund ausserdem Massnahmen zur Verbesserung der Datenlage.

Darüber hinaus wolle der Bundesrat auf nationaler Ebene den Austausch und die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller vom Thema betroffenen Stellen auf Ebene Bund und Kantone weiterführen und ausbauen. So solle ein Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern aus den Bereichen Gesundheit, Strafverfolgung und Justiz, aber auch Integration, Asyl, Gleichstellung und Kindesschutz gebildet werden, welches die Massnahmen von Bund und Kantonen begleitet.

Dem Bericht müssten nun auch Taten folgen, so das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz in einer Medienmitteilung zum Bundesratsbericht. Das Netzwerk begrüsse die Stossrichtung des Berichtes. Essenziell sei jedoch Präventionsarbeit in den Migrationsgemeinschaften, damit es erst gar nicht zu einer Straftat komme. Auch dürfe die Perspektive nicht ausgeblendet werden, gefährdeten Mädchen ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz zu gewähren.

Weiter müssten bereits beschnittene Frauen und Mädchen eine auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete Gesundheitsversorgung erhalten, so das Netzwerk. Dazu müsse das Thema in die Lehrpläne der Aus- und Weiterbildungen von Gesundheitsfachpersonen aufgenommen werden.

Nur wenige Kantone engagierten sich aktiv und längerfristig gegen weibliche Genitalbeschneidung, so das Netzwerk weiter. Um Gesundheits-, Beratungs- und Präeventionsangebote sicherzustellen, müssten diese jedoch konkrete Massnahmen beschliessen und finanzielle Ressourcen sprechen. Dazu hätten sich Bund und Kantone mit dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der sogenannten Istanbul-Konvention, verpflichtet.