„Die Arbeitsintegration steckt in der Zwickmühle“

„Die Arbeitsintegration steckt in der Zwickmühle“

Eine Studie hat die Entwicklungen in der Arbeitswelt beobachtet und sieht die Arbeitsintegration vor Herausforderungen gestellt. Digitalisierung und Vernetzung haben die Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten stark verändert.

Die Arbeitswelt und damit verbunden auch die Arbeitsintegration haben sich in den letzten Jahrzehnten rasant gewandelt. Die Globalisierung, Automatisierung und Digitalisierung führen zur Veränderung von Berufsbildern oder zu sogar zu ihrem Verschwinden. Bei den verbleibenden und neuen Berufen werden die Anforderungen an die nachgefragten Kompetenzen immer höher. Diese Entwicklung führt dazu, dass auf dem Arbeitsmarkt immer weniger Stellen für wenig qualifizierte Mitarbeitende angeboten werden, sodass es Menschen mit einem leichten Bildungsrucksack immer schwerer fällt, eine für sie geeignete Arbeitsstelle zu finden. So skizziert der Schlussbericht einer Studie zu Herausforderungen und Zukunftsperspektiven in der Arbeitsintegration die Ausgangslage.

Durch diese Entwicklungen, die durch die Corona-Pandemie zusätzlich verschärft worden seien, sähen sich die im Bereich der Arbeitsintegration tätigen Organisationen gezwungen, ihre Angebote weiterzuentwickeln, so die Autorinnen und Autoren des Berichts, der von der Berner Fachhochschule im Auftrag von Arbeitsintegration Schweiz verfasst wurde.

Aus sozial- wie auch gesellschaftspolitischer Sicht sei es unverantwortlich, wenn einem zunehmenden Anteil von Menschen keine für sie geeignete Beschäftigung angeboten werde. Dies führe zum Verlust einer sinnstiftenden Tagesstruktur, was mit hohen Folgekosten verbunden sei.

Mit einer Studie sollten nun Grundlagen für die Entwicklung solcher Angebote erarbeitet werden. Dabei ging es um eine Übersicht über die relevanten Entwicklungen der Arbeitswelt insbesondere in den Bereichen der sozialen Integration und der Qualifizierung. Anhand verschiedener erfolgreicher Praxisbeispiele sollten bereits existierende zukunftsorientierte und nachhaltige Angebote öffentlich gemacht werden. Die Studie erfolgte durch Literaturanalyse, durch eine Online-Befragung der Mitglieder der Arbeitsintegration Schweiz, durch Experteninterviews sowie durch Workshops.

Zwickmühle Arbeitsintegration

Die Arbeitsintegration steckt in der Zwickmühle, ist laut Bericht eine der Schlussfolgerungen der Studie. So hätten Digitalisierung und Vernetzung die Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Arbeitnehmende bräuchten Fachkompetenzen, aber auch immer mehr Soft Skills wie ausgeprägte Sozial- und Selbstkompetenzen.

Auch zeichne sich die neue Arbeitswelt durch einen hohen Leistungs- und Erfolgsdruck aus. Selbstökonomisierung und Selbstrationalisierung seien Stichworte. Viele Beschäftigte müssten permanent über verschiedene Kanäle erreichbar sein, was die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen lasse.

Viele Organisationen der Arbeitsintegration arbeiteten jedoch mit Klientinnen und Klienten zusammen, die diese notwendigen Voraussetzungen für eine gelingende berufliche Integration in den ersten Arbeitsmarkt nicht oder noch nicht erfüllten.

Hier stünde also oftmals die soziale Integration im Vordergrund. Die Gesellschaft werde um die Diskussion über alternative Möglichkeiten der sozialen Teilhabe, die nicht zwingend über Erwerbsarbeit erfolge, nicht herumkommen, so der Bericht.

Gute Kenntnisse des regionalen Arbeitsmarktes und ein tragfähiges Netzwerk mit Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes sei ein zentraler Gelingfaktor für die Arbeitsintegration. Für ihre Klientel finden Anbieter von Integrationsmassnahmen demnach unter anderem im Bereich Pflege und Betreuung Anschlusslösungen.

Soziale Integration und Jobcoaching

Eine herausragende Bedeutung komme einem guten, auf die Bedürfnisse der Klientinnen und Klienten abgestimmten Jobcoachings zu, so der Bericht weiter. Zum einen müsse ein guter Jobcoach die Bedürfnisse und Anforderungen des Arbeitsmarktes sehr genau kennen und entsprechend mit Unternehmen vernetzt sein. Zum anderen müsse sie oder er mit zielführenden Gesprächskompetenzen ausgestattet sein, die Klientinnen und Klienten auch in Rückschlägen motivierten.

Personen in der Arbeitsintegration müssen stärker qualifiziert werden, um den steigenden Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes genügen zu können, so heisst es weiter. Inhaltlich bezögen sich die Qualifizierungen einerseits auf Grundkompetenzen wie Sprache, Alltags-mathematik und Informatik-Anwenderkenntnisse. Andererseits sei auch die Förderung von Selbstkompetenzen wie Organisationsfähigkeit, Kommunikation, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortungsübernahme, Motivation und Durchhaltevermögen sehr wichtig.

In neu entwickelten sozialpädagogischen Ansätzen würden diese auch über Mitarbeit in Kunstproduktionen gefördert. Eine individuell zugeschnittene Förderung der Klientel sei wirksamer als der einheitliche Unterricht in Gruppen. In Gruppensettings könne allerdings auch individuell gefördert werden, zudem würden dort Sozialkompetenzen gefördert.

Arbeitslosigkeit und prekäre finanzielle Verhältnisse können psychische und physische Erkrankungen verursachen. Die Massnahmen der sozialen und beruflichen Integration tragen laut Bericht zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Erwerbslosen bei und beugen den negativen Auswirkungen vor. Massnahmen zur Gesundheitsförderung können demnach bei Interventionen mit dem Zweck der Erhaltung und Wiedererlangung der Arbeitsmarktfähigkeit eine wichtige Rolle spielen. In diesem Bereich bestehe ein Bedarf nach neuen Ansätzen und Unterstützungsangeboten an der Schnittstelle zwischen Gesundheitsversorgung und Arbeitsintegration.

Nicht alle können in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden

Das Ziel könne nicht darin bestehen, arbeitslose Personen so rasch wie möglich in Niedriglohnjobs im ersten Arbeitsmarkt oder in Angeboten im zweiten Arbeitsmarkt zu „parkieren“, weil ihnen sonst die längerfristigen Perspektiven verloren gingen, so die Autorinnen und Autoren des Berichts. Folgen davon seien die Prekarisierung der Arbeitsbedingungen, eine Verstärkung der Ungleichheiten mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit und die Exklusion.

Mit konkreten Massnahmen zur Qualifizierung, mit regelmässiger Weiterbildung von betroffenen Personen und individualisierter Unterstützung, Beratung und Begleitung könne diesen Risiken entgegengewirkt werden.

Tatsache sei jedoch, dass auch mit vielen Investitionen nicht alle Personen in den ersten Arbeitsmarkt integriert oder reintegriert werden könnten. Deshalb gewönnen Massnahmen zur Förderung von sozialen Grundkompetenzen, Motivation, gesundheitlichen Faktoren und zu Aufbau und Erweiterung des sozialen Netzwerks jenseits von Zwang und Sanktionierungen an Bedeutung. Im Zentrum stünde das Ziel, die individuelle Produktivität zu erhalten, Ressourcen aufzubauen sowie Selbstwirksamkeit und Sicherheit zu erlangen.