«Einheitliche Ausbildungsvorgaben für die Sozialdiakonie»

«Einheitliche Ausbildungsvorgaben für die Sozialdiakonie»

Die Plenarversammlung der Diakonie Schweiz beschloss am 31. Mai in Bern die Revision der «Mindestanforderungen für die sozialdiakonische Berufsausbildung». Die neuen Mindestanforderungen bringen die Anforderungen für das sozialdiakonische Amt der Deutschschweizer Kantonalkirchen auf den aktuellen Stand geltender Bildungsstandards.

Die Mitglieder der Plenarversammlung trafen sich am 31. Mai erstmals nach Ausbruch der Corona-Pandemie wieder in physischer Form in Bern. Im Zentrum der Debatten stand die Revision der «Mindestanforderungen zur sozialdiakonischen Berufsausbildung». Mit diesem Regelwerk hatten sich die Deutschschweizer Kantonalkirchen vor rund 25 Jahren zusammengeschlossen, um einheitliche Ausbildungsvorgaben für die Sozialdiakonie zu formulieren und damit das sozialdiakonische Amt in ihren Kirchen zu schärfen und zu stärken.

Das Regelwerk ist eine grosse Errungenschaft, da erstmals deutschschweizweit ein breit akzeptiertes kirchliches Berufsfeld für die Sozialdiakonie geschaffen wurde. Im Rahmen der von der Konferenz Diakonie Schweiz durchgeführten Erhebung «Diakonie und Diakonat in den Kantonalkirchen» von 2018 hatte sich gezeigt, dass die bestehenden Mindestanforderungen in mehreren Hinsichten formale und inhaltliche Mängel aufweisen und geltenden Bildungsstandards nicht mehr entsprechen. Daher hatte die Plenarversammlung den Auftrag erteilt, die Revision des Regelwerks an die Hand zu nehmen.

Um eine Anerkennung zu erlangen, müssen Interessierte sowohl sozialfachliche als auch kirchlich-theologische Kompetenzen vorweisen können. Diese doppelte Qualifikation kann über das Absolvieren von anerkannten Ausbildungen erworben werden – oder über die sogenannte ausserordentliche Zulassung. Hier stellt eine Kommission aufgrund der Ausbildungsbiographie fest, welche Anteile des geforderten Lernumfangs schon absolviert sind und was noch nachgeholt werden muss.

Die revidierte Fassung der Mindestanforderungen, die nun von der Plenarversammlung beschlossen worden ist, eliminiert die bisherigen Mängel und aktualisiert das Regelwerk so, dass es heutigen Bildungsstandards entspricht. Die neue Fassung der Mindestanforderungen behält aber den Grundsatz der doppelten Qualifikation. Auch werden die Anforderungen weder erhöht noch gesenkt, sondern klarer und präziser ausformuliert.

Im Rahmen der Anerkennungspraxis sind vor allem Schwierigkeiten in fachlicher Perspektive und bei der Angabe des geforderten Lernumfangs aufgetreten. So sind die inhaltlichen Angaben für den geforderten Lernumfang in der bisherigen Fassung der Mindestanforderungen nur rudimentär ausgestaltet. Hier bestand ebenso Anpassungsbedarf wie beim Lernumfang. Dort ist der geforderte Umfang noch in der Einheit der Präsenzstunden angegeben. Diese Einheit ist heute nicht mehr praktikabel, da in aktuellen Bildungsstandards längst in der Einheit des gesamten Lernaufwands gerechnet wird. Statt von Präsenzstunden wird nun also von Lernstunden ausgegangen.

Beat Maurer, Präsident des Ausschusses der Diakonie Schweiz, hielt gegenüber der Plenarversammlung fest, dass die Revision der Mindestanforderungen für alle Beteiligten mit Vorteilen verbunden sei: «Sowohl für die Interessierten am sozialdiakonischen Amt als auch für die Kantonalkirchen werden mit den revidierten Mindestanforderungen deutlich präzisere und zugleich praktikablere Grundlagen geschaffen». Die revidierten Mindestanforderungen werden ab 1. Januar 2022 in Kraft gesetzt.

«Erstens wird die konkrete Praxis der Anerkennungsverfahren durch die präziseren Vorgaben einfacher und klarer durchgeführt werden können», so Simon Hofstetter, Stabsleiter der Diakonie Schweiz. «Dadurch erhalten Interessierte mehr Klarheit und Transparenz.» Auch für die kantonalkirchlichen Verantwortlichen werde die Anerkennungspraxis einfacher. «Ausserdem wird es künftig möglich sein, aufgrund der klaren Vorgaben weitere Bildungsgänge insbesondere im kirchlich-theologischen Bereich anzuerkennen und damit die Ausbildungsmöglichkeiten zu vergrössern.»

Um die Zulassung als Sozialdiakonin oder Sozialdiakon gemäss den Anforderungen der doppelten Qualifikation zu erlangen, wird eine sozialfachliche Ausbildung mit einem eidgenössisch anerkannten Titel FH oder HF und ein Abschluss eines kirchlich-theologischen Lehrgangs benötigt. Dort sind einige Mindestanforderungen zu erfüllen. Dazu gehören je 23 ECTS-Punkte, entsprechend je 700 Lernstunden, kirchlich-theologische sowie sozialwissenschaftliche Grundlagen sowie 46 ECTS-Punkte, entsprechend 1400 Lernstunden, sozialdiakonisches Handeln. Ausserdem benötigen Kandidatinnen und Kandidaten eine qualifizierende Berufspraxis im sozialfachlichen Bereich gemäss den Anforderungen der einschlägigen Rahmenlehrpläne im sozialfachlichen Bereich und je nach Gruppengrösse mindestens 40 oder 60 Stunden Supervision.

Wer keinen sozialfachlichen oder kirchlich-theologischen Abschluss vorweisen kann, hat die Möglichkeit, über den Weg der ausserordentlichen Zulassung prüfen zu lassen, ob die Anforderungen zur Zulassung als Sozialdiakonin oder Sozialdiakon trotzdem erfüllt sind beziehungsweise welcher Lernumfang und welche Lerninhalte für eine ausserordentliche Zulassung noch geleistet werden müssen.

«Die ausserodentliche Zulassung wird seit Langem praktiziert, sie war bisher jedoch nicht in den Mindestanforderungen beschrieben», so Simon Hofstetter. «Es erschien uns wichtig, diesen Weg, den jährlich eine stattliche Zahl von Gesuchstellenden absolvieren, auch direkt in die Mindestanforderungen aufzunehmen».

Die revidierten Mindestanforderungen zur sozialdiakonischen Berufsausbildung sollen diese fachlich auf den neuesten Stand bringen und zugleich klarer und transparenter gestalten. Sie sind Ergebnis intensiver Arbeit vieler Fachpersonen aus den Kantonalkirchen. Mit der Bestätigung durch die Plenarversammlung der Diakonie Schweiz im Mai 2021 steht der Inkraftsetzung ab Anfang 2022 nun nichts mehr im Wege.