EUR: Europas Senioren wollen nicht mehr ins Altersheim
Pflege und Betreuung zuhause muss in ganz Europa weiterentwickelt werden, schreibt das Europäische Netzwerk für Sozialpolitik ESPN in einem aktuellen Bericht. Gleichzeitig müssten die privaten Netzwerke der informellen Betreuung gestärkt werden.
Europa wird älter, lebt länger gesund und bekommt weniger Kinder. Waren 2016 weniger als 5% der Europäerinnen und Europäer über 80 Jahren, werden es 2070 13% sein. Dies stellt weitreichende Anforderungen an Betreuung und Langzeitpflege, stellt das Europäische Netzwerk für Sozialpolitik ESPN in einem aktuellen Bericht fest. Was national teils gut erforscht ist, wird mit “Challenges in long-term care in Europe” nun gesamteuropäisch für 35 Länder zusammengefasst.
Für ganz Europa gilt: Langzeitpflege ist stark auf informelle Betreuung angewiesen, also auf Verwandte, Freunde und ein soziales Netzwerk. Verschiedene Entwicklungen sorgen jedoch dafür, dass der Bedarf an professioneller Pflege und Betreuung stark wächst. Zwischen den Ländern Europas bestehen laut Bericht wiederum grosse Unterschiede in der Organisation und Finanzierung von Langzeitpflege. Ebenso unterschiedlich präsentiert sich demnach der Bereich der Schattenwirtschaft der nicht offiziell deklarierten Arbeitsleistung in Privathaushalten.
In vielen Ländern Europas zeichneten sich die Regelungen zur Langzeitpflege durch eine starke Zersplitterung der Verantwortung aus, so der Bericht. Nur in Dänemark, Irland und Portugal sei eine horizontale Integration von Gesundheits- und Sozialpolitik gelungen. Ein klarer Trend zeichne sich im Wunsch nach Pflege und Betreuung in den eigenen vier Wänder ab, so das ESPN. Europas Senioren wollen nicht mehr ins Altersheim. Gleichzeitig hätten es nur wenige Länder geschafft, geeignete Strategien zu entwickeln, die dies ermöglichten. Dazu gehörten Deutschland, Dänemark, Luxemburg und Portugal, jüngst auch Frankreich und England. Interessant sei, dass insbesondere in Nordeuropa, wo eine lange Tradition der Heimpflege existiere, ein starker Trend in Richtung Heim- und Gemeinschaftspflege zu verzeichnen sei, während die Heimpflege in Süd- und Osteuropa zunehme.
Die informelle Betreuung ist in allen 35 untersuchten Ländern ein unersetzlicher Beitrag zur Langzeitpflege, so der Bericht. die Frauen und Töchter der Pflegebedürftigen leisten den Grossteil der Unterstützung. In Ungarn, Lettland und Litauen sind Rolle und Verantwortung der Familie zur Pflege sogar gesetzlich festgehalten. Eine direkte finanzielle Unterstützung für die pflegenden Personen gibt es laut ESPN in der Schweiz, in Finnland, Ungarn, Irland und Grossbritannien.
Die Pflege zuhause und in Gemeinschaften müsse in ganz Europa gestärkt werden, empfiehlt der Bericht. Damit dies für alle möglich wird, brauche es neben einer verlässlichen Finanzierung auch eine nachhaltige Unterstützung derer, die informelle Betreuung leisten. Ein multidisziplinärer Ansatz sei hier nötig.
