Digitalisierung und Künstliche Intelligenz revolutionieren die sozialen Dienste und verändern die Art und Weise, wie Pflege in ganz Europa erbracht wird, so der gesamteuropäische Diakonie-Dachverband Eurodiaconia in einer Mitteilung.
In einem aktuellen Bericht mit dem Titel “Digitalisation in Social Services” werden demnach sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen, die KI und Digitalisierung für die Organisation und Erbringung von Dienstleistungen darstellen, beleuchtet.
Digitale Werkzeuge verändern die Sozialdienste, indem sie die Effizienz, die Zugänglichkeit und die personalisierte Betreuung verbessern, heisst es dort. Der Ausbruch von COVID-19 habe die Hinwendung zu digitalen Plattformen, virtueller Beratung, Online-Bildung und Ferntherapien beschleunigt. Technologien wie KI-gestützte Analysen, IoT-Geräte (Internet der Dinge) und virtuelle Realität hätten die Ressourcenzuweisung, Überwachung und Schulung von Pflegekräften verbessert.
So helfe KI zum Beispiel bei der Gesundheitsüberwachung und der vorausschauenden Pflegeplanung, während IoT-Geräte wie Sensoren zur Sturzerkennung ein unabhängiges Leben für ältere Erwachsene förderten, so Eurodiaconia. Digitale Werkzeuge hätten auch geografische Barrieren abgebaut und unterversorgte Bevölkerungsgruppen mit wichtigen Dienstleistungen verbunden.
Eine der tiefgreifendsten Auswirkungen der Digitalisierung sei ihre Fähigkeit, Prozesse zu rationalisieren und die Produktivität bei der Erbringung von Dienstleistungen zu verbessern, heisst es im Bericht. Automatisierungstechnologien verringerten den Verwaltungsaufwand für die Mitarbeiter von Sozialdiensten.
Routineaufgaben wie Dateneingabe, Ressourcenzuweisung und Antragsbearbeitung könnten nun mit minimalem menschlichem Einsatz erledigt werden, so dass sich die Dienstleister auf eine individuellere Betreuung konzentrieren könnten.
Die Digitalisierung habe das Potenzial, Sozialdienstleistungen integrativer zu gestalten, indem geografische und logistische Barrieren abgebaut würden, so der Bericht weiter. Einzelne Plattformen mobile Anwendungen brächten Dienstleistungen direkt zu den Bedürftigen, insbesondere zu denen, die in abgelegenen oder unterversorgten Gebieten lebten. Dies sei jedoch nur für Personen möglich, die Zugang zum Internet hätten.
Digitale Technologien revolutionierten die Identifizierung und Unterstützung gefährdeter Bevölkerungsgruppen durch Analytik und Echtzeitüberwachung, so der Eurodiaconia-Bericht. KI-gesteuerte Tools analysierten Datenmuster, um Personen zu erkennen, die von Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit oder Gesundheitskrisen bedroht seien.
Das polnische System zur Erstellung von Arbeitslosenprofilen nutze beispielsweise Algorithmen, um Arbeitssuchende nach ihrer Beschäftigungsfähigkeit zu kategorisieren und so gezielte Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Chancen auf einen Arbeitsplatz zu ermöglichen.
Trotz der Vorteile blieben Herausforderungen wie algorithmische Verzerrungen, digitale Ausgrenzung und Datenschutzrisiken bestehen, heisst es weiter. Gefährdete Gruppen, darunter ältere Erwachsene und Familien mit geringem Einkommen, hätten Schwierigkeiten beim Zugang zur Technologie, was die Ungleichheiten noch verstärke.
Ein übermäßiger Einsatz von KI-Tools könne zudem zu einer Entmenschlichung der Pflege führen, und der Schutz sensibler Daten sei nach wie vor von entscheidender Bedeutung für den Datenschutz, so Eurodiaconia. Die Integration von Pflegerobotern und anderen Technologien sei zwar innovativ, erhöhe aber oft die Arbeitsbelastung des Personals, anstatt sie zu verringern.
Eine der drängendsten Herausforderungen bei der Implementierung von KI in sozialen Diensten seien algorithmische Verzerrungen, so der Bericht weiter. KI-Systeme stützten sich oft auf historische Daten, um Entscheidungen zu treffen, die bestehende Ungleichheiten widerspiegeln und aufrechterhalten könnten.
Ein Algorithmus, der Sozialleistungen priorisieren solle, könne beispielsweise unbeabsichtigt bestimmte Bevölkerungsgruppen gegenüber anderen bevorzugen, wenn die Trainingsdaten verzerrt seien. Diese Verzerrung könne zu einer ungerechten Ressourcenzuteilung führen, die Ungleichheiten eher noch verschärft, als sie zu mildern.
KI-Systeme funktionierten zudem oft als Black Boxes, deren Entscheidungsprozesse nicht leicht verständlich seien. Dieser Mangel an Transparenz gebe Anlass zur Sorge im Zusammenhang mit Sozialdienstleistungen, wo Entscheidungen direkte und erhebliche Auswirkungen auf das Leben des Einzelnen hätten. So könne ein KI-gesteuertes System für die Bewilligung von Arbeitslosenunterstützung die Unterstützung verweigern, ohne eine klare Begründung zu liefern.
Die Integration digitaler Hilfsmittel in die sozialen Dienste werfe ausserdem Bedenken hinsichtlich der Wahrung der Menschenrechte und der Menschenwürde auf, heisst es weiter. KI-Tools wie Roboter seien zwar effizient, verfügten aber nicht über die emotionale Intelligenz und das Einfühlungsvermögen, die für die Pflege erforderlich seien.
So könnten Pflegeroboter zwar bei physischen Aufgaben helfen, aber nicht die emotionale Unterstützung durch menschliche Pfleger ersetzen. Verlasse man sich zu sehr auf solche Technologien, bestehe die Gefahr, dass die Pflege entmenschlicht werde und die wichtige persönliche Interaktion zwischen Pflegern und Pflegebedürftigen verloren gehe.
Digitale Werkzeuge könnten bestehende Ungleichheiten verschärfen, wenn sie nicht inklusiv eingesetzt würden, so Eurodiaconia. Gefährdete Gruppen, wie ältere Erwachsene oder Personen in einkommensschwachen Haushalten, hätten möglicherweise keinen Zugang zur notwendigen Technologie oder zu digitalen . Diese digitale Kluft schränke nicht nur ihre Teilhabe an einer sich rasch digitalisierenden Gesellschaft ein, sondern vertiefe auch soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten.
Automatisierung und künstliche Intelligenz würden oft als Bedrohung für Arbeitsplätze angesehen, insbesondere für solche, die mit sich wiederholenden Aufgaben verbunden seien. Im Bereich der sozialen Dienstleistungen gebe dies Anlass zur Sorge über die Verdrängung von Arbeitnehmern und den potenziellen Verlust von persönlichen Beziehungen zwischen Betreuern und Empfängern, so der Bericht.
Der effizienzorientierte Charakter digitaler Werkzeuge berge zuden die Gefahr, dass der Schwerpunkt von Empathie auf Produktivität verlagert werde. Der Mensch stehe nach wie vor im Mittelpunkt der sozialen Dienstleistungen. Weniger persönliche Interaktionen und der verstärkte Einsatz von Überwachungstechnologien wie Kameras und Sensoren könnten dazu führen, dass sich die Pflegebedürftigen eher als Objekte der Beobachtung denn als Teilnehmer an einem beziehungsorientierten Pflegesystem fühlten.
Eurodiaconia fordert einen auf den Menschen ausgerichteten Ansatz für die Digitalisierung, bei dem Transparenz, Fairness und Zugänglichkeit im Vordergrund stehen, so die Mitteilung. Zu den wichtigsten Empfehlungen gehört es, ethische KI-Richtlinien festzulegen und menschliche Aufsicht beizubehalten, die digitale Kompetenz und den gleichberechtigten Zugangs zur Technologie zu fördern, in sichere und transparente Datenverwaltungssysteme zu investieren, sowie die Zusammenarbeit von Interessengruppen bei der Entwicklung integrativer digitaler Instrumente zu fördern.
Durch die Bewältigung dieser Herausforderungen und die Einführung innovativer Praktiken könne die Digitalisierung ein positives Transformationsinstrument sein, um die Erbringung von Sozialdienstleistungen zu verbessern, so Eurodiaconia.