Eurodiaconia warnt: Energiearmut steigt in Europa

9. Mai 2025

Ein neues Policy Paper zeigt, wie hohe Energiepreise und ineffiziente Gebaeude immer mehr Menschen in Not bringen – und macht konkrete Reformvorschläge.

Das gesamteuropäische Diakonie-Netzwerk Eurodiaconia zeichnet in seinem aktuellen Policy Paper ein alarmierendes Bild: Energiearmut hat sich im Zuge der Lebenshaltungskosten‑Krise dramatisch verschaerft. Laut einer gemeinsamen Umfrage mit Caritas Europa suchten Ende 2022 vierzig Prozent mehr Hilfesuchende die Dienste der Mitgliedsorganisationen auf, viele davon erstmals, so die Meldung.

Als Kernproblem definiert der Bericht Energiearmut als eine Lage, in der Haushalte keinen Zugang zu essenziellen Energiedienstleistungen haben und hohe Rechnungen ihren Gesundheits‑ und Lebensstandard gefährden. Diese Formulierung übernimmt Eurodiaconia aus einer Empfehlung der EU‑Kommission von 2020. Eine technisch ausführlichere Definition enthalte die 2023 novellierte Energieeffizienz‑Richtlinie, die die mangelnde Leistbarkeit, niedrige Einkommen, hohe Kosten und schlechte Gebäudehüllen als kombinierte Ursachen nennt.

2022 konnten laut Meldung 9,3 Prozent der EU‑Bevoelkerung ihre Wohnungen nicht angemessen beheizen, ein Anstieg um 2,4 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr; fast sieben Prozent hatten gemäss Mitteilung Zahlungsrückstaende bei Strom‑ und Gasversorgern. Besonders getroffen seien alleinstehende Eltern, Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Behinderungen sowie Geflüchtete. Haushalte im untersten Einkommensdezil mussten Preissteigerungen verkraften, die einem Fünftel ihrer gesamten Ausgaben entsprachen, während Wohlhabendere nur 13 Prozent verkrafteten, heisst es weiter.

Mitgliedsorganisationen reagieren europaweit: Diakonie Österreich ermöglicht mit einem Solidaritäts‑Energieverbund bedürftigen Haushalten zehn Prozent kostenloser Solarenergie. In den Niederlanden identifiziert das Projekt SchuldHulpMaatje per Datenanalyse Strassenzüge mit besonderem Risiko und kümmert sich gezielt um Betroffene. Die deutsche Diakonie startete Projekte von Suppenküchen bis Energiesprechstunden. Dennoch bringen Inflation und Energiepreise auch die Träger selbst in finanzielle Bedrängnis, so Eurodiaconia.

Politisch reagierten die EU‑Staaten seit Herbst 2021 mit Steuersenkungen, Preisbremsen und Direktzahlungen; insgesamt wurden bis Juni 2023 rund 651 Milliarden Euro bereitgestellt. Doch mehr als 70 Prozent dieser Massnahmen erreichten die verletzlichsten Gruppen nicht präzise genug, warnt Eurodiaconia. Auch EU‑Reformen wie die Marktgestaltung für Strom seien nur dann sozial, wenn sie ausreichend finanziert und von einem Verbot von Stromsperren für Schutzbedürftige begleitet würden.

Das Papier fordert deshalb ein europaweites Grundrecht auf eine Mindestmenge Energie, ein konsequent gefördertes Programm zur Sanierung der schlechtesten Gebäude sowie einen ausgewogenen Mix aus breiten sozialen Sicherungsnetzen und punktgenauer Unterstützung. Nur so lasse sich verhindern, dass die grüne Transformation zur sozialen Falle werde – und Energiearmut weiter um sich greife.