Geschlechterrollen: Akzeptanz für egalitäre Familienmodelle wächst, Realität hinkt jedoch hinterher

15. Mai 2025

Gleichgeschlechtliche Eltern werden laut Bundesamt für Statistik zunehmend akzeptiert, traditionelle Rollenbilder verlieren an Rückhalt – doch in den Haushalten dominiert weiterhin das Modell Teilzeit-Mutter und Vollzeit-Vater.

Immer mehr Menschen in der Schweiz befürworten gleichberechtigte Familienformen. Gemäss einer am Mittwoch veröffentlichten Auswertung der Erhebung zu Familien und Generationen sind heute fast zwei Drittel der 15- bis 80-Jährigen überzeugt, dass Kinder auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren glücklich aufwachsen können, so eine Mitteilung des Bundesamtes für Statistik. 2013 lag dieser Anteil erst bei 40 Prozent, 2018 bereits bei 51 Prozent. Besonders stark stieg die Zustimmung bei Frauen von 47 auf 72 Prozent; Männer holten von 32 auf 56 Prozent auf. Altersunterschiede ebneten sich in den letzten zehn Jahren ein: Während 2013 nur 27 Prozent der 65- bis 80-Jährigen diese Familienform akzeptierten, sind es heute 55 Prozent, womit sich die Seniorinnen und Senioren den jüngeren Jahrgängen deutlich angenähert haben.

Parallel verlieren klassische Geschlechterzuschreibungen an Boden. Noch 24 Prozent finden, der Mann solle das Geld verdienen, gegenüber 39 Prozent 2013. Ähnlich sinkt die Ansicht, Frauen könnten sich besser um Kleinkinder kümmern, von 51 auf 35 Prozent. Frauen in Voll- oder hoher Teilzeit lehnen das Alleinernährerprinzip wesentlich häufiger ab als Nichterwerbstätige; bei Männern zeigt sich derselbe Trend, jedoch schwächer ausgeprägt. Ein tertiärer Bildungsabschluss, wenig Religiosität und Kinderlosigkeit gehen generell mit egalitäreren Einstellungen einher, so das Bundesamt.

Gefragt nach der idealen Aufteilung der Erwerbsarbeit wünschen sich 55 Prozent, dass beide Eltern Teilzeit arbeiten. Besonders beliebt ist dieses Modell in Grossstädten (66 Prozent) und bei Hochschulabsolventinnen und -absolventen (69 Prozent). Demgegenüber präferieren lediglich 19 Prozent die traditionelle Variante, bei der die Mutter zu Hause bleibt und der Vater Vollzeit arbeitet. Männer nennen diese Konstellation doppelt so häufig wie Frauen. Auffällig ist die italienischsprachige Schweiz, wo das Teilzeit-Teilzeit-Modell mit 43 Prozent deutlich weniger Zuspruch erhält als in der Deutsch- und Westschweiz.

Die Praxis sieht indes anders aus. In Haushalten mit Partnerinnen und Partnern zwischen 25 und 64 Jahren und Kindern unter vier Jahren dominiert weiterhin das Muster Mutter Teilzeit, Vater Vollzeit: Es tritt in 46 Prozent der Fälle auf. Nur 13 Prozent leben das von der Mehrheit gewünschte Teilzeit-Teilzeit-Modell. Wo beide Eltern Teilzeit arbeiten, handelt es sich meist um hohe Teilzeitpensen; umgekehrt bleibt die Variante, bei der die Frau ein hohes und der Mann ein tiefes Pensum übernimmt, eine Ausnahme. Bildungsstand beeinflusst diese Verteilung kaum, Sprachregionen dagegen schon: Die Deutschschweiz verzeichnet mehr Teilzeit-Paare, die Romandie mehr Doppel-Vollzeit-Haushalte, das Tessin die höchste Quote traditioneller Einverdienerfamilien.

Die Statistik zeigt damit eine klare Bewegung hin zu egalitären Rollenvorstellungen, doch «die Realität hält mit den Wünschen noch nicht Schritt», resümiert das Bundesamt für Statistik.