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Kritik am Fortschritt der Reform des Sexualstrafrechts

Feb 3, 2021 | Archiv, Gewaltschutz

Nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehr als sexuellen Übergriff statt als Vergewaltigung zu ahnden, wird den Opfern sexueller Gewalt nicht gerecht, so Amnesty International zum Entwurf zur Revision des Schweizer Sexualstrafrechts.

Während zwölf europäische Länder nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehr bereits als Vergewaltigung anerkennen, schlägt der nun in die Vernehmlassung gegebene Entwurf vor, einen neuen Straftatbestand des sexuellen Übergriffs zu schaffen, der sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person oder durch Überraschung erfassen soll, so Amnesty in einer Medienmitteilung. Dieser nur als Vergehen definierte Straftatbestand soll mit einer geringeren Strafe geahndet werden als eine Vergewaltigung, die als Verbrechen gilt.

Amnesty kritisiere den Vorschlag, den die Bundesverwaltung im Auftrag der Rechtskommission des Ständerates erstellt hat. Zwar sei die Bereitschaft, nicht-einvernehmliche sexuelle Handlungen angemessen zu bestrafen, zu begrüssen. Der Gesetzesentwurf stelle jedoch nicht klar, dass das grundsätzliche Unrecht nicht in der Nötigung oder der Gewalt liege, sondern in der Missachtung der sexuellen Selbstbestimmung, so die Mitteilung.

Der Gesetzesentwurf schaffe eine Art unechter Vergewaltigung. Wenn die Täterschaft kein Nötigungsmittel anwenden musste, weil sie einen Zustand der Überraschung oder der Schocks ausnutze, der das Opfer daran hindere, sich zu wehren, riskiere sie maximal drei Jahre Gefängnis. Bei einer Vergewaltigung hingegen drohten bis zu zehn Jahre Haft, so die Menschenrechtsorganisation.

Der grösste Teil der Übergriffe ereigne sich entgegen verbreiteter Mythen im privaten Rahmen. Eine natürliche Reaktion der Betroffenen sei ein Schock- oder Lähmungszustand, der als Freezing bezeichnet werde. Nur in seltenen Fällen leisteten die Opfer körperlichen Widerstand.

Der aktuelle Vorschlag verkenne die Realität, so Amnesty. Das Signal, das an die Opfer gesendet werde, könne verheerend sein.