Dies habe eine Befragung bei 33 Städten gezeigt, so die Städteinitiative Sozialpolitik in einer Medienmitteilung. Dazu hat die Berner Fachhochschule städtische Sozialdienste über Bildungsmassnahmen in der Sozialhilfe befragt. Alle Sozialdienste vereinbarten Bildungsziele, wenn ihre Klientinnen und Klienten Bildungsdefizite hätten, so die Mitteilung.
54.9 % und damit mehr als die Hälfte der sozialhilfebeziehenden erwachsenen Personen der 14 Vergleichsstädte verfügten im Jahr 2021 demnach über keine anerkannte berufliche Ausbildung. Dieser Anteil hat sich seit 2017 um 2.6 %-Punkte erhöht und ist gegenüber dem Vorjahr erneut um 1.4 %-Punkte angestiegen.
Wie bereits in den letzten Jahren festgestellt worden sei, werde es für Personen ohne Ausbildung generell immer schwieriger, ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Dies sei primär auf den Strukturwandel im Arbeitsmarkt zurückzuführen: Mit der Technologisierung und der erhöhten Wissensintensität in vielen Branchen veränderten sich die Tätigkeitsprofile bzw. erhöhten sich die Anforderungen an die Beschäftigten. Routinetätigkeiten werden seltener und die Nachfrage nach Arbeitnehmenden ohne berufliche Qualifikation ist deutlich gesunken, so der Bericht.
Personen ohne oder mit tiefer Qualifikation fänden heute vor allem Anstellungsmöglichkeiten im Dienstleistungssektor. Hier seien die Aussichten auf einen guten Verdienst und einen sicheren Arbeitsplatz für Arbeitstätige ohne Ausbildung jedoch viel eingeschränkter als in anderen Branchen. Dies gelte zum Beispiel für Tätigkeiten in der Reinigung, in der Küche, im Service oder in Kurierdiensten, die oftmals von einer hohen Instabilität gekennzeichnet seien und generell keine langfristigen Perspektiven böten.
Im Vergleich mit Personen ohne Ausbildung haben Personen mit einer beruflichen Ausbildung oder mit Abschluss einer Maturitätsschule laut Bericht grundsätzlich bessere Chancen auf eine existenzsichernde Arbeitsstelle. Im Durchschnitt der Städte verfügten 38.1 % der Sozialhilfebeziehenden ab 18 Jahren über eine berufliche Ausbildung oder einen Abschluss einer Maturitätsschule, wobei dieser Anteil gegenüber dem Vorjahr um rund 1.2 %-Punkte gesunken sei. Zu beachten sei, dass sozialhilfebeziehende Personen mit ausländischer Nationalität oftmals über eine Ausbildung verfügten, welche jedoch nicht als mit einem in der Schweiz erworbenen Abschluss gleichwertig anerkannt werde oder deren Gleichwertigkeit nicht geprüft worden sei. In den Städten werde der Bildungsstand dieser Personen nach Aussage von Sozialdienstleitenden teilweise als «unbekannt» ausgewiesen, weshalb davon auszugehen sei, dass der Anteil Personen in der Sozialhilfe, die über eine Ausbildung verfügen, tatsächlich etwas grösser sei.
Ein vergleichsweise kleiner Anteil von 6.9 % der Sozialhilfebeziehenden verfügt laut Bericht über einen höheren Bildungsabschluss (Universität/höhere Fachausbildung). Dieser Anteil ist im Jahr 2021 wieder auf ein ähnliches Niveau wie im Jahr 2017 gesunken, nachdem er in den letzten Jahren leicht angestiegen war. Da der Anteil der Personen mit Tertiärausbildung unter den 15 – 64-Jährigen in der Wohnbevölkerung im gleichen Zeitraum weiterhin angestiegen sei, dürfte das Sozialhilferisiko von Personen mit höherem Bildungsabschluss trotzdem weiter gesunken sein, so ein Fazit.
Während der Anteil Personen ohne Berufsausbildung in der Gesamtbevölkerung seit Jahren sinkt, ist dieser Anteil in der Sozialhilfe stetig angestiegen, so der Bericht weiter. Das erhöhte Sozialhilferisiko für geringqualifizierte Personen sei eng mit dem Strukturwandel des Arbeitsmarkts verbunden. Wer den Anforderungen nicht genüge, welche mit der Technologisierung und der in vielen Branchen erhöhten Wissensintensität sowie dem gestiegenen Innovationsdruck verbunden seien, habe immer weniger Chancen, ein existenzsicherndes Einkommen erwirtschaften zu können.
Das Risiko, wiederholt Sozialhilfe beziehen zu müssen, sei bei mangelnder Qualifizierung ausserdem deutlich erhöht. Gemäss einer im Jahr 2017 durchgeführten Umfrage der SKOS bei 190 Sozialdiensten und kantonalen Sozialämtern gehen die befragten Personen davon aus, dass 40 % der erwachsenen Sozialhilfebeziehenden durch die Förderung ihrer Grundkompetenzen und weitere spezifische Bildungsangebote eine grössere Chance zur beruflichen Integration haben.
Es stelle sich daher die Frage, welche Rolle die Sozialhilfe bei der Ermöglichung und Förderung von Bildungen und Ausbildungen spielen sollten und könnten. Im Jahr 2018 habe die SKOS gemeinsam mit dem Schweizerischen Verband für Weiterbildung (SVEB) eine Weiterbildungsoffensive lanciert. Dabei solle das bisher geltende Paradigma, Sozialhilfebeziehende möglichst rasch mit kurzfristigen Massnahmen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, durch ein neues Paradigma «Arbeit dank Bildung» ersetzt werden. Personen ohne ausreichende arbeitsmarktrelevante Kompetenzen und ohne abgeschlossene Berufslehre sollten die Chance erhalten, sich zu qualifizieren. Dies könne bedeuten, Grundkompetenzen zu erwerben oder zu verbessern, zu welchen Lesen, Schreiben, die mündliche Ausdrucksfähigkeit in der lokalen Landessprache, Alltagsmathematik und das Beherrschen von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) gezählt würden. Weiter solle es Sozialhilfebeziehenden möglich sein, berufliche Qualifikationen unterhalb der Schwelle der beruflichen Grundbildung zu erwerben oder eine berufliche Grundbildung zu absolvieren.
Niederschwellige Bildungsmassnahmen wie Sprachkurse würden sehr häufig ermöglicht, so der Bericht zu den eingeleiteten Massnahmen. Auch habe die Berufsausbildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen hohe Priorität. Hingegen stellten die Sozialdienste hohe Hürden bei der beruflichen Grundbildung für Erwachsene fest. Hinderlich seien zum Beispiel Lücken im Stipendiensystem und dadurch fehlende Finanzierung, ausländerrechtliche Hürden, der Grundsatz der raschen Ablösung aus der Sozialhilfe und mangelnde Ressourcen in den Sozialdiensten.
In der jährlichen Analyse der Sozialhilfestatistik aus 14 Städten zeige sich, dass die Zahl der Sozialhilfefälle 2021 gegenüber dem Vorjahr stabil geblieben sei, so die Mitteilung weiter. Verringert habe sich insbesondere die Zahl der Neuaufnahmen, so habe es rund 7 Prozent weniger neue Sozialhilfefälle als im Schnitt der drei Vorjahre gegeben. Auch die Sozialhilfequote sei in 11 von 14 Städten stabil geblieben oder gesunken. Die Sozialhilfequote misst das Verhältnis zwischen der Anzahl Sozialhilfebeziehenden und der Gesamtbevölkerung. Die Corona-Pandemie habe also bisher nicht zu einer Erhöhung des Sozialhilfebezugs geführt, so die Mitteilung. Sowohl die Unterstützungsleistungen des Bundes wie auch die rasche Erholung des Arbeitsmarktes hätten dazu beigetragen.
Die Städte und ihre Entwicklungen in der Sozialhilfe unterschieden sich wesentlich untereinander, so die Mitteilung weiter, da das Armutsrisiko und anderem abhängig sei von der Wirtschaftsstruktur, der Bevölkerungszusammensetzung und der Verfügbarkeit von der Sozialhilfe vorgelagerten Sozialleistungen wie Wohnhilfe, Stipendien oder Familienunterstützung.