In einer wegweisenden Entscheidung hat sich der Nationalrat deutlich für die politische Teilhabe aller Menschen mit Behinderungen ausgesprochen. Gemäss einer Mitteilung von Inclusion Handicap fordert er den Bundesrat dazu auf, das Stimm- und Wahlrecht auch jenen Personen zu garantieren, die unter umfassender Beistandschaft stehen. Bisher sind rund 16’000 Menschen mit Behinderungen in der Schweiz von diesem Grundrecht ausgeschlossen, was Inclusion Handicap als klare Diskriminierung wertet.
Die Entscheidung des Nationalrats erfolgte im Rahmen der Beratung eines Postulats von Nationalrat Raphael Mahaim. Dieses verlangt, dass der Bundesrat prüft, wie das Stimm- und Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderungen rechtlich umgesetzt werden kann. Der Nationalrat hat dem Postulat mit 113 zu 65 Stimmen bei 2 Enthaltungen zugestimmt. «Ein bedeutender Schritt in Richtung Gleichstellung», so die Einschätzung von Inclusion Handicap.
Besonders erfreut zeigt sich die Organisation darüber, dass das Parlament damit auch einem Urteil des UNO-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen Rechnung trägt. Dieser hatte die Schweiz im März 2022 dafür gerügt, dass Menschen mit geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen unter umfassender Beistandschaft ihr politisches Mitspracherecht verlieren. Gemäss Behindertenrechtskonvention der UNO, die auch die Schweiz ratifiziert hat, stellt dies einen Verstoss gegen die Rechte auf Gleichstellung und Partizipation dar.
Inclusion Handicap erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass politische Rechte nicht an individuelle Fähigkeiten geknüpft werden dürfen. «Demokratische Teilhabe ist ein Menschenrecht», heisst es in der Mitteilung. Auch Menschen, die in ihrem Alltag auf umfassende Unterstützung angewiesen sind, müssten mitentscheiden dürfen, wie das gesellschaftliche Zusammenleben gestaltet wird.
Zudem weist der Verband darauf hin, dass mehrere europäische Länder wie Deutschland, Frankreich oder Italien das Stimmrecht für Menschen mit umfassender Beistandschaft bereits eingeführt haben. Die Schweiz habe hier dringenden Nachholbedarf.
Inclusion Handicap fordert deshalb, dass der Bundesrat nun rasch einen konkreten Umsetzungsvorschlag vorlegt. Die Organisation wird sich nach eigenen Angaben weiterhin dafür einsetzen, dass das politische System der Schweiz inklusiver wird und niemand aufgrund einer Behinderung ausgeschlossen bleibt.
Die Abstimmung im Nationalrat sendet nach Ansicht von Inclusion Handicap ein starkes Signal: «Die Zeit ist reif für eine Demokratie, in der wirklich alle mitbestimmen können.»