Ein gemeinsamer Bericht von Caritas Europa und dem gesamteuropäischen Diakonie-Dachverband Eurodiaconia zeichnet ein Bild sozialer und gesundheitlicher Dienste in Europa, die unter wachsendem Druck stehen. Die beiden Organisationen stützen sich auf eine Befragung von 20 gemeinnützigen Trägern in 16 Ländern, erhoben zwischen Februar und April 2025. Genannt werden als drängendste Herausforderungen die alternde Bevölkerung und der wachsende Bedarf an Langzeitpflege (60 Prozent), die Wohnkostenkrise und Obdachlosigkeit (55 Prozent) sowie die Teuerung (50 Prozent). Fast alle Befragten sehen diese Probleme in den vergangenen fünf Jahren deutlich angestiegen.
Zugleich melden die Einrichtungen erhebliche Engpässe bei der Leistungserbringung: 90 Prozent nennen fehlende Finanzierung als grösstes Hindernis, 65 Prozent zu wenig Personal oder Freiwillige, 40 Prozent mangelnden Zugang zu Räumen und Ressourcen. Viele Träger verfügten zwar über öffentliche Unterstützung, diese reiche aber nur teils aus, um operative Bedürfnisse zu decken. In der Folge müssten Angebote reduziert, Investitionen gestoppt und die Personalentwicklung eingeschränkt werden, heisst es.
Besonders problematisch ist laut Bericht die Finanzierungslage: In mehreren Ländern blieben Zuschüsse nominal auf Vorjahresniveau und hielten mit Lohn-, Energie- und Infrastrukturkosten nicht Schritt. Eine Rückmeldung aus der Praxis lautet: „Die Finanzierung reagierte überhaupt nicht auf die steigenden Kosten für Energie, Miete, Treibstoff und insbesondere Löhne – und das, obwohl die Löhne in unserem Bereich ohnehin schon zu niedrig sind.“ Die Unsicherheit werde durch verspätete Mittelzuflüsse, politische Übergänge und Konsolidierungsmassnahmen der öffentlichen Hand verstärkt. Zusätzlich wirkten höhere Mehrwert- oder Transaktionssteuern kostentreibend.
Der Bericht verweist zudem auf die Lücke bei den Arbeitsbedingungen: In bestimmten Ländern verdienen Mitarbeitende gemeinnütziger Träger bis zu 20 bis 30 Prozent weniger als Beschäftigte im öffentlichen Sektor, was die Personalbindung erschwert. Gleichzeitig stehen weitere Kostensteigerungen im Raum, etwa durch das ab 2027 wirkende ETS-2, das Energiepreise auch für soziale Dienste beeinflussen dürfte. Die Organisationen bewerten ihre eigene Anpassungsfähigkeit mehrheitlich als mittel; niemand fühle sich sehr gut vorbereitet.
Vor diesem Hintergrund formulieren Caritas Europa und Eurodiaconia politische Empfehlungen. Gefordert werden eine EU-Armutsstrategie mit Priorität für Zugänge zu elementaren Diensten, gezielte und mehrjährige Förderinstrumente im nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen, administrativ leichter zugängliche Mittel für kleinere Träger, die systematische Einbindung gemeinnütziger Anbieterinnen und Anbieter in nationale Armutspläne sowie ein Ausbau von Qualifizierung, Digitalisierung und Innovation. Ebenso plädieren die Verbände für faire Arbeitsbedingungen und soziale Investitionsziele im Europäischen Semester.
Vorgestellt wurde der Bericht im Europäischen Parlament auf Einladung der Abgeordneten Gabriele Bischoff und Martine Kemp. Vertretungen von elf Eurodiaconia-Mitgliedern nahmen teil; aus Schweden schilderte Hela Människan Erfahrungen aus der Basisarbeit. „Gemeinnützige soziale Dienstleistende springen tagtäglich ein, um Menschen in Not, Familien in Armut und Gemeinschaften in schwierigen Lagen zu unterstützen. Trotz ihres Engagements und ihrer harten Arbeit stehen sie jedoch selbst vor grossen Herausforderungen“, sagte Annika Sparrer von Eurodiaconia.
