St.Galler Kirche lanciert neues Präventionskonzept gegen Missbrauch

4. Juli 2025

Die Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons St.Gallen geht neue Wege im Schutz vor Missbrauch. Kürzlich hat die Synode, das Kirchenparlament, ein neues Rahmenpräventionskonzept zur Kenntnis genommen und dessen Finanzierung genehmigt.

Studien zu Missbrauchsfällen, insbesondere in der katholischen Kirche in der Schweiz oder den evangelischen Kirchen in Deutschland, hätten auch in anderen Institutionen die Frage aufgeworfen, wie es um den Schutz vor Missbrauch bestellt sei, heisst es in einer Mitteilung. Deshalb habe der Kirchenrat entschieden, das seit über zwanzig Jahren bestehende Persönlichkeitsschutzkonzept zu überarbeiten.

Das nun vorliegende «Rahmenpräventionskonzept Schutz der persönlichen Integrität» geht laut Antje Ziegler, zuständige Kirchenrätin, über den Fokus auf sexuelle Übergriffe hinaus. Es decke ein breites Spektrum von Grenzverletzungen ab, das von Sticheleien über diskriminierende Äusserungen bis hin zu sexueller Belästigung und Übergriffen reiche. Markus Unholz, Synodaler der Kirchgemeinde St.Gallen C, lobte den Vorschlag des Kirchenrates, «weil nicht einfach die Feuerwehr gestärkt» werde, sondern das Konzept verschiedene präventive Instrumente enthalte, wie Schulungen oder Informationsmaterial. Gerade in der Kirche, wo es darum gehe, den Menschen nahe zu sein, sei es besonders wichtig, Grenzen zu kennen, so die Mitteilung.

Diskussionen gab es jedoch um die Frage, ob es neben einer externen Meldestelle auch eine interne brauche. So sei es schwierig, in einem Netzwerk, wo jede jeden kenne, absolute Anonymität zu sichern. Antje Ziegler bestätigte zwar, dass bei schwerwiegenden Verstössen die externe Meldestelle angerufen werden müsse, sah jedoch bei alltäglichen Konflikten innerhalb der Behörden oder unter Mitarbeitenden die Notwendigkeit einer internen Meldestelle.

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Ressourcenfrage des Konzeptes. Ein Synodaler stellte infrage, ob vierzig Stellenprozente für die Umsetzung nicht zu grosszügig bemessen seien. Martin Schmidt, Präsident des Kirchenrates, versicherte, nach drei Jahren erneut Bilanz zu ziehen und die Stellenprozente gegebenenfalls anzupassen. Die Synode bewilligte schliesslich mit grosser Mehrheit die Finanzierung des Konzeptes, dessen jährliche Kosten sich auf rund 110’000 Franken belaufen sollen.

Neben dem Präventionsthema beschäftigte die Synode die geplante Gesamtrevision der Verfassung, die seit 1974 unverändert gilt. Bereits 2018 war die Frage nach einer Revision erstmals gestellt worden. «Eine Revision der seit 1974 bestehenden Verfassung ist angebracht», lautete nun das Fazit einer vorberatenden Kommission. Handlungsbedarf bestehe etwa bei der Leitung der Kirchgemeinden, der freien Wahl der Kirchbürgerinnen und -bürger bezüglich ihrer Zugehörigkeit oder bei der Grösse der Synode, die derzeit 180 Mitglieder zählt.

Dem Parlament wurde ein Projektvorschlag zur Verfassungsrevision präsentiert. Die Synode gab schliesslich einstimmig grünes Licht für den Start des Prozesses, obwohl einige Parlamentarier einen detaillierteren Projektplan samt Kommunikationskonzept und einem präzisen Termin des Projektabschlusses gefordert hatten. Der bewilligte Projektplan rechnet mit einer vierjährigen Dauer und Kosten von rund einer Million Franken. Abschliessend verabschiedete die Synode einen Schlussbericht zur Vision «St.Galler Kirche 2025», die die Arbeit der letzten zehn Jahre geprägt hatte. «Ein Resultat der Vision ist nun der Verfassungsprozess», sagte Martin Schmidt.