UN Women warnt: Klimakrise vertieft globale Geschlechterungleichheit

UN Women warnt: Klimakrise vertieft globale Geschlechterungleichheit

Ein UN‑Women‑Explainer zeigt, wie der Klimawandel Frauen und Maedchen unverhältnismässig trifft und warum Gleichstellung zentral für wirksamen Klimaschutz ist.

Die doppelte Krise: Klima und Ungleichheit

Die Klimakrise hat längst Dimensionen angenommen, die sämtliche Lebensbereiche berühren, doch sie ist nicht geschlechtsneutral. UN Women beschreibt die Erderhitzung in einer Ende Juni 2024 veröffentlichten Analyse als «eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit» und betont, dass sie bestehende soziale Ungleichheiten vertiefe. Frauen und Mädchen sind demnach in mehrfacher Hinsicht exponiert: Sie tragen in vielen Regionen die Hauptverantwortung für Wasser‑, Brennstoff‑ und Lebensmittelbeschaffung, während ihnen zugleich weniger Landrechte, Kredite oder Ausbildungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Entfällt eine Ernte, «müssen Frauen härter arbeiten, um Einkommen und Nahrung zu sichern», so die Mitteilung, was sich häufig darauf auswirkt, dass Mädchen die Schule verlassen, um ihre Mütter zu unterstützen. Die Organisation spricht vom «Bedrohungsmultiplikator» Klimawandel, der soziale, politische und wirtschaftliche Spannungen auf allen Ebenen verstärke.

Mehr Arbeit, weniger Ressourcen

In Subsahara‑Afrika etwa verbringen Frauen täglich bis zu vier Stunden damit, Wasser und Brennholz zu holen; steigen Temperaturen und versiegen Quellen, verlängern sich diese Wege. Dadurch bleibt weniger Zeit für Bildung, Erwerbsarbeit oder politisches Engagement. Gemäss Mitteilung verschieben sich die Geschlechterrollen in Krisenzeiten selten zugunsten der Frauen: Fällt Familien‑ oder Pflegearbeit an, wird sie grösstenteils von ihnen übernommen, während sich Männer häufiger in bezahlte Tätigkeiten retten können. Die Belastung in Haushalten ohne sauberes Wasser oder Strom steige «fast ausschliesslich auf den Schultern der Frauen», heisst es weiter. Diese alltägliche Mehrfachbelastung wird nach Einschätzung von UN Women noch dramatischer, wenn extreme Wetterereignisse die Infrastruktur beschädigen oder Feldfrüchte vernichten.

Gesundheitsrisiken von Hitze bis Malaria

Die gesundheitlichen Folgen der Erderhitzung treffen Frauen in spezifischer Weise. Studien, auf die sich der Bericht stützt, legen nahe, dass extreme Hitze das Risiko von Tot‑ und Frühgeburten erhöht. Zugleich breiten sich vektorübertragene Krankheiten wie Malaria oder Dengue in wärmeren Zonen schneller aus und stellen für schwangere Frauen eine besondere Bedrohung dar. Die soziale Dimension verschärft die medizinische: Wenn Gesundheitssysteme überlastet sind, haben Frauen in patriarchal geprägten Gesellschaften oft den letzten Zugang zu Medikamenten oder Kliniken. «Die Klimakrise zwingt uns, Geschlechtergerechtigkeit als Teil der Gesundheitsvorsorge zu denken», hält UN Women fest.

Gewalt und Migration als Folgen extremer Wetterereignisse

Stürme, Überschwemmungen und Dürren zwingen jedes Jahr Millionen von Menschen zur Flucht, doch die Risiken auf den Fluchtrouten sind ungleich verteilt. UN Women verweist darauf, dass Frauen und Mädchen in Notunterkünften und Camps häufiger geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt sind, weil dort sichere Waschräume, Beleuchtung oder abschliessbare Türen fehlen. Steigen die Spannungen in ohnehin prekären Lebenssituationen, komme es zudem vermehrt zu Menschenhandel und Frühverheiratungen. «Wenn du im Alltag unsichtbar bist, werden deine Bedürfnisse in einer Krise erst recht nicht berücksichtigt», warnt die thailändische Aktivistin Matcha Phorn‑in im Bericht. Die Verschränkung von Klima‑, Migrations‑ und Geschlechterfragen sei deshalb keine akademische Debatte, sondern entscheide über Leben und Würde vieler Menschen.

Frauen als Entscheidungsträgerinnen stärken

Obwohl Frauen weltweit 43 Prozent der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft stellen, besitzen sie laut dem UN‑Women‑Dokument weniger als 15 Prozent des Landes. Diese Diskrepanz spiegelt sich in politischen Gremien: In Klimaverhandlungen stellen Frauen noch immer eine Minderheit. Dabei zeigen Auswertungen, dass Parlamente mit höherem Frauenanteil ambitioniertere Klimagesetze verabschieden. Erfolgreiche Waldschutz‑ oder Wiederaufforstungsprojekte seien oft von Frauen geführt, weil sie lokales Wissen über Pflanzenvielfalt und Wasserhaushalt einbrächten, das in technischen Masterplänen fehle. «Gleichstellung ist kein Nebenprojekt, sondern Voraussetzung für resiliente Gesellschaften», fasst UN Women zusammen.

Die Rolle der Daten und Finanzen

Ein zentrales Hindernis für geschlechtersensible Klimapolitik ist nach Ansicht der Autorinnen und Autoren der Mangel an Daten: Viele Klimamodelle unterscheiden nicht nach Geschlecht, Einkommen oder Ethnie. Ohne solche Differenzierung bleibt unsichtbar, wer von Dürren, Hitzewellen oder Überschwemmungen am stärksten betroffen ist. UN Women fordert daher die konsequente Erhebung geschlechterspezifischer Daten und deren Einbettung in Frühwarnsysteme sowie in die Ausgestaltung von Hilfsprogrammen. Parallel brauche es Finanzierungsinstrumente, die lokale Fraueninitiativen direkt erreichen. Denn bisher gelte: Je tiefer die administrative Ebene, desto geringer die Chance auf internationale Mittel. «Fördergelder müssen dort ankommen, wo sie das soziale Gefüge stärken, nicht nur grossen Infrastrukturprojekten zugutekommen», heisst es in der Mitteilung.

Beispielhafte Initiativen und lokale Stimmen

Die brasilianische Aktivistin Dandara Rudsan beschreibt im UN‑Women‑Beitrag die Realität im Amazonasgebiet: Wer für indigene Landrechte eintrete, schütze zugleich den Regenwald und damit das globale Klima. Für Rudsan gibt es «keine Hierarchie der Agenden»: Menschenrechte, Geschlechtergerechtigkeit und Umweltschutz seien untrennbar. Ähnliche Erfahrungen schildert die ugandische Landwirtin Esther Atim, deren Dorf nach einer verheerenden Dürre ein lokales Frühwarn‑ und Kreditprogramm einführte, das von Frauen geleitet wird. Laut UN Women hat das Projekt nicht nur die Erträge stabilisiert, sondern auch die Zahl der Schulabbrüche von Mädchen um ein Drittel gesenkt. Solche Beispiele illustrieren, wie Klimaschutzmassnahmen effektiver sind, wenn Frauen an Konzeption und Umsetzung beteiligt sind, so UN Women.

Fazit: Gleichstellung als Klimaschlüssel

Die UN‑Women‑Analyse zeigt, dass Umwelt‑ und Geschlechtergerechtigkeit nicht getrennt betrachtet werden können. Eine Welt, die den Temperaturanstieg begrenzen will, muss zugleich patriarchale Strukturen hinterfragen. Das bedeutet, Landrechte neu zu verteilen, geschlechterspezifische Daten zu erheben, sichere Flucht‑ und Notunterkünfte zu schaffen und Frauen in politischen Gremien systematisch zu stärken. Letztlich, so die Schlussfolgerung der Organisation, ist Klimaschutz nur dann nachhaltig, wenn er die Lebensrealitäten derjenigen berücksichtigt, die an vorderster Front gegen die Folgen der Erderhitzung ankämpfen: Frauen und Maedchen weltweit.