UNICEF: Erstmals weltweit mehr übergewichtige als untergewichtige Schulkinder

17. Okt. 2025

UNICEF warnt vor rasant steigender Fettleibigkeit bei 5- bis 19-Jährigen – erstmals übertrifft sie Untergewicht. Werbung und ultra-verarbeitete Produkte prägen Ernährungsumgebungen.

Erstmals seit Beginn der Erhebungen ist Fettleibigkeit unter Schulkindern und Jugendlichen weltweit häufiger als Untergewicht. Das geht aus dem Bericht «Feeding Profit: How Food Environments are Failing Children» hervor, auf den das Komitee für UNICEF Schweiz und Liechtenstein verweist. Demnach sind 1 von 10 – oder 188 Millionen – Kinder und Jugendliche im Schulalter adipös und damit einem erhöhten Risiko lebensbedrohlicher Krankheiten ausgesetzt. Seit 2000 sank der Anteil untergewichtiger 5- bis 19-Jähriger von knapp 13 auf 9,2 Prozent, während Fettleibigkeit im selben Zeitraum von 3 auf 9,4 Prozent stieg. In allen Weltregionen ausser Subsahara-Afrika und Südasien kommt Fettleibigkeit inzwischen häufiger vor als Untergewicht, so die Mitteilung.

«Wenn wir über Mangelernährung sprechen, sprechen wir längst nicht mehr nur über untergewichtige Kinder», sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell gemäss Mitteilung. «Fettleibigkeit ist ein wachsendes Problem, das Gesundheit und Entwicklung von Kindern massiv beeinträchtigen kann. Hochverarbeitete Lebensmittel verdrängen zunehmend Obst, Gemüse und Eiweissquellen und das in einer Lebensphase, in der Ernährung entscheidend für Wachstum, kognitive Entwicklung und mentale Gesundheit ist.»

Besonders hohe Prävalenzen verzeichneten pazifische Inselstaaten: In Niue seien 38 Prozent der 5- bis 19-Jährigen adipös, in den Cook-Inseln 37 Prozent und in Nauru 33 Prozent; diese Werte hätten sich seit 2000 verdoppelt. Der Trend hänge laut UNICEF mit dem Wechsel von traditionellen Ernährungsweisen hin zu günstigen, energiereichen Importprodukten zusammen. Auch in einkommensstarken Ländern seien die Zahlen hoch – in Chile mit 27 Prozent sowie in den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten mit jeweils 21 Prozent.

Übergewicht und Fettleibigkeit erhöhten das Risiko für Insulinresistenz, Bluthochdruck und ernste Erkrankungen im späteren Leben, darunter Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden und bestimmte Krebsarten. UNICEF kritisiert, ultra-verarbeitete Produkte und Fast Food prägten die Ernährungsumgebungen von Kindern – in Supermärkten, in Schulkantinen und via digitale Werbung mit direktem Zugang zu jungen Zielgruppen. Eine UNICEF-Umfrage unter 64 000 Jugendlichen in 170 Ländern zeige, dass 75 Prozent in der Vorwoche Werbung für Softdrinks, Snacks oder Fast Food gesehen hätten; 60 Prozent gaben an, dies habe ihren Appetit auf solche Produkte gesteigert. Selbst in Krisen- und Konfliktländern berichteten 68 Prozent von entsprechender Werbeexposition.

Die gesellschaftlichen Kosten seien erheblich: In Peru könnten die durch Fettleibigkeit bedingten Ausgaben auf über 210 Milliarden US-Dollar steigen; bis 2035 dürften die globalen wirtschaftlichen Folgen von Übergewicht und Fettleibigkeit jährlich mehr als 4 Billionen US-Dollar betragen.

Als Gegenbeispiel verweist UNICEF auf Mexiko, wo der Verkauf von Softdrinks und hochverarbeiteten Produkten an öffentlichen Schulen verboten wurde und damit die Ernährungsumgebungen für über 34 Millionen Kinder verbessert worden seien. Insgesamt fordert das UNO-Kinderhilfswerk Regierungen, Zivilgesellschaft sowie Partnerinnen und Partner zu verbindlichen Massnahmen auf: von klaren Lebensmittelkennzeichnungen und Werbebeschränkungen über steuerliche Lenkung bis zu sozialen Programmen, die Familien und Gemeinden stärken, sowie einem Verbot von Junkfood und Sponsoring im Bildungsumfeld. Politische Prozesse müssten zudem vor dem Einfluss der Lebensmittelindustrie geschützt und Sozialschutzprogramme ausgebaut werden, um benachteiligten Familien den Zugang zu gesunder Ernährung zu erleichtern.

«In vielen Ländern sehen wir die doppelte Last der Mangelernährung: Wachstumsverzögerung und Fettleibigkeit gleichzeitig», so Russell. «Jedes Kind muss Zugang zu gesunder, erschwinglicher Nahrung haben, um wachsen und sich entwickeln zu können. Dafür brauchen wir jetzt politische Massnahmen, die Eltern und Bezugspersonen aktiv unterstützen.»