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Vermitteln statt ansagen – Homeoffice verlangt einen neuen FührungsstilProduktivität und Unternehmenskultur leiden nicht unter dem Homeoffice, stellt die Bertelsmann Stiftung in einer Untersuchung fest. Als Dauereinrichtung verlangt das Modell jedoch nach einem neuen Führungsstil. Zurück ins Büro sei der Wunsch vieler Führungskräfte.
Die Mehrheit der Führungskräfte sehe weder einen Produktivitätsverlust noch eine schlechtere Unternehmenskultur, so die Bertelsmann Stiftung zur aktuellen Ausgabe des Führungskräfte-Radars. Dementsprechende Vorbehalte, die vor der Krise verbreitet gewesen seien, erwiesen sich also als haltlos. Nur ein Viertel der Führungskräfte im Homeoffice ist sich nicht sicher, ob die Mitarbeitenden genauso produktiv arbeiten wie vor der Pandemie. Dagegen gibt es doppelt so viele Führungskräfte, die dem nicht zustimmen. Auch haben nur gut ein Viertel der Führungskräfte Angst davor, die Unternehmenskultur könne leiden, knapp die Hälfte aber nicht.
Ganz grundsätzlich, so die Bertelsmann Stiftung, herrsche eine konstruktive Stimmung unter den Führungskräften, die grossen Herausforderungen meistern zu können und dabei eine kooperative Führungskultur zu entwickeln. So stimmten knapp 65 Prozent der Befragten zu, dass ihre Rolle als Führungskraft wichtiger geworden sei, nur 9 Prozent sahen dies nicht so.
Führungskräfte spüren das Vertrauen des Unternehmens
Die Corona-Einschränkungen trafen die Wirtschaft unerwartet. Keineswegs sei klar gewesen, ob in den Unternehmen günstige Führungsbedingungen vorherrschten, um damit umgehen zu können. Für die einzelne Führungskraft, so die Studie, sei zunächst das direkte eigene Umfeld wichtig. Hat sie die nötigen Ressourcen und Kompetenzen? Gibt es ein solides Fundament gegenseitigen Vertrauens? Wie kollegial ist das Betriebsklima? Der Führungskräfte-Radar zeige hier ein erfreuliches Bild. Zwei Drittel der Befragten empfinden demnach, dass die Ressourcen und Kompetenzen und das Vertrauen gegeben sind. Nur eine Minderheit von rund 7 Prozent stimmt dem nicht zu. Die grosse Mehrheit, so Bertelsmann, empfindet hingegen starken Rückhalt im eigenen Unternehmen. Dabei konnten keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Geschlechtern, Generationen, Unternehmensgrössen oder Branchen festgestellt werden.
In Krisen zentralisieren manche Unternehmen ihre Entscheidungsprozesse, andere dezentralisieren sie. Oft gebe es den Reflex, dass das obere Management die zentrale Verantwortung übernehme. Auch die dezentrale Eigenständigkeit könne dem Unternehmen jedoch helfen, so die Studie. Gerade für Führungskräfte sei es eine wichtige Frage, ob sie selbst eingreifen oder besser die Entscheidung nach oben geben oder nach unten delegieren sollten. Knapp ein Drittel der befragten Führungskräfte gaben daraufhin an, dass in der Krise eher dezentral entschieden werde, für ein weiteres Drittel war dies nicht so. Die Streuung, so Bertelsmann, stütze den Eindruck, dass die Unternehmen unterschiedlich reagierten.
Die virtuelle Kaffeepause
Die Führungskräfte brachten zu knapp drei Vierteln zum Ausdruck, dass ihre Unternehmen in der Krise ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht würden. Das sei keineswegs selbstverständlich, weil es in einer Krise auch dazu kommen könne, dass jedes Unternehmen erst einmal nur an sich selbst denke. Der Führungskräfte-Radar lasse hingegen hoffen, dass die Unternehmen verstanden hätten, dass sie gerade in dieser weitreichenden Pandemie Teil der Gesellschaft seien, so die Studie.
Gleichzeitig drohe die Gefahr, dass der emotionale und soziale Kontakt zwischen Führung und Mitarbeitenden abreissen könne. So stellten Führungskräfte fest, dass die Mitarbeitenden sich weniger austauschen könnten und dass man sie nicht so unterstützen könne, wie man es gerne täte.
Dauerhaft von zu Hause zu arbeiten, könne zu weitreichenden Folgen führen, wenn dringende notwendige Abstimmungsprozesse unterblieben oder die Identifikation mit der Organisation oder dem Team sinke. Es gelte, aufgabenbezogene wie auch beziehungsorientierte Anlässe zu schaffen, um sich untereinander auszutauschen.
Es sei nicht abwegig zu versuchen, die sonst im Büro ungeplanten Begegnungen oder informellen Anlässe geplant herbeizuführen, so die Stiftung in einer Medienmitteilung zur Untersuchung. Dabei solle auch einmal offengelassen werden, worüber genau gesprochen werden solle. So gebe es in vielen Teams mittlerweile virtuelle Kaffeepausen, bei denen der Kaffeebecher in der Hand das Signal sei, dass gerade Pause und Zeit für Zwischenmenschliches sei.
Das Pendant zu Kaffeeküche und Kantine muss im virtuellen Raum erst noch gefunden werden, bilanziert die Studie. Fraglich sei, wie man damit umgehen könne, wenn klar werde, dass die gewohnte Zusammenarbeit im Büro doch nicht so schnell wieder möglich sein werde oder hybride Arbeitsformen zur Norm würden.
Führung in der Krise braucht eine neue Richtung
Zurück ins Büro – das sei ein Wunsch, den viele Führungskräfte bei sich selbst und ihren Mitarbeitenden spürten, so die Mitteilung weiter. Vorteilen wie einer verbesserten Work-Life-Balance und geringeren Wegzeiten stünden dabei technische Probleme im Homeoffice und die fehlende soziale Nähe sowie der Informationsverlust gegenüber.
In der Krise sei Führung nötig und wertvoll, weil eine neue Richtung gefunden werden müsse, heisst es in der Studie. Es lasse sich schliessen, dass in der Pandemie kein Rückfall in ein heroisches Anweisungen-Geben erfolge. Corona rufe nicht die Macherinnen und Macher früherer Zeiten hervor, sondern die vermittelnde Führungskraft, lautet das Fazit der Untersuchung. Nicht sagen, wo es langgeht, sondern den gemeinsamen Weg zu finden, sei Kern des Führens in der ersten Welle gewesen. Auch im virtuellen Raum der Homeoffice-Zusammenarbeit gebe es Regeln, die jede Gruppe für sich finden müsse. Auch müssten Personalabteilungen neue Wege beschreiten. Viele Massnahmen aus der analogen Welt seien nicht ohne weiteres auf eine digitale oder hybride Arbeitswelt übertragbar. Das gelte sowohl für die Mitarbeitendenbeurteilungen beim mobilen Arbeiten wie auch für die Bewertung von Arbeitszeiten bis zur Schaffung von Begegnungsräumen, um einer Spaltung der Belegschaft vorzubeugen.
Die guten Erfahrungen mit dem Krisenmanagement der ersten Welle sind wichtig im Blick auf die weitere Entwicklung der Pandemie-Bewältigung, schliesst Bertelsmann: „Man mag sich nicht vorstellen, mit welcher Motivation die Führungskräfte das weitere Krisenmanagement in den nächsten Corona Wellen angehen würden, wenn die ersten Erfahrungen negativ oder gar frustrierend gewesen wären.“
Sicherlich bedürfe es auch Massnahmen zur Stärkung der Eigenverantwortung der Mitarbeitenden, so schliesst die Bertelsmann-Studie. Und nicht zuletzt seien die Führungskräfte selbst gefragt und gefordert, sich etwas einfallen zu lassen. In Lernprozessen sei es oft nötig, Dinge erstmal wieder explizit zu machen, die später selbstverständlich würden. Wenn das Homeoffice mehr oder weniger normal werde, sollten Führungskräfte Anlässe schaffen, die neue Arbeitsweise bewusst zu gestalten, um Produktivität und Kollegialität zu erhalten.
Der Führungskräfte-Radar wurde nach Angaben der Bertelsmann Stiftung im Herbst 2020 unter 1010 Führungskräften in Deutschland vorgenommen. 69 Prozent der befragten seien männlich und der Altersdurchschnitt habe bei 50 Jahren gelegen.