“Wir spüren ein enormes Engagement der Mitarbeitenden”

“Wir spüren ein enormes Engagement der Mitarbeitenden”

Wie hat die Pandemie die tägliche Arbeit in der kirchlichen Sozialdiakonie und in den Werken verändert? Einblicke in die Berner Kirche, das Sozialwerk Pfarrer Sieber, das Blaue Kreuz und die Heilsarmee.

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"Wir spüren ein enormes Engagement der Mitarbeitenden"

Wie hat die Pandemie die tägliche Arbeit in der kirchlichen Sozialdiakonie und in den Werken verändert? Einblicke in die Berner Kirche, das Sozialwerk Pfarrer Sieber, das Blaue Kreuz und die Heilsarmee.

Corona hat die Welt erobert und regiert seit Wochen unangefochten das tägliche Miteinander. Auch Kirche und Diakonie betrifft dies im Kern ihres Seins. Altbewährtes im kirchlichen Leben wird auf den Kopf gestellt. Gottesdienste, Seelsorge, Unterricht, Diakonie: nichts kann so bleiben wie es war.

Das diakonische Wirken der Kirchgemeinden war bislang gruppenorientiert. Neben der Beratung Einzelner und der grösseren Sozialraumarbeit fand der überwiegende Teil dieses Gemeindelebens in Gruppen statt. Das ist nun weitestgehend nicht mehr der Fall. Erste Erfahrungswerte zeigen, dass dies durch Verstärkungen der anderen Bereiche ersetzt wird. So nimmt die Beratungsarbeit Einzelner stark zu, genauso entstehen überall nahräumliche Unterstützungsangebote im Gemeinwesen.

Diakonie erlebt derzeit eine massive und rasche Veränderung ihrer Arbeitsmethodik. Was verändert sich? Wie ändern sich die Arbeitsabläufe und die Arbeit nach aussen? Welche neuen Anforderungen stellt dies an die Mitarbeitenden?

Die Kirchgemeinden erleben die neuen Bedingungen als massiv. Gleichzeitig aber haben sich innerhalb kürzester Zeit neue Initiativen entwickelt und ermutigende Beispiele, wie solidarisch mit der veränderten Situation umgegangen wird.

Dies berichtet beispielsweise Miriam Deuble, Fachstellenleiterin Grundlagen, Dienste, Vernetzung der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Im Bereich Sozial-Diakonie arbeite man im Homeoffice mit Videokonferenzen, man berate telefonisch oder per E-Mail und pflege so auch die Kontakte in den Kirchgemeinden, zu den Sozialdiakoninnen und Sozialdiakonen und den Institutionen.

Einige Abläufe gestalteten sich als komplizierter als unter normalen Umständen, andere müssten laufend angepasst werden und erforderten ein hohes Mass an Flexibilität, Kreativität und manchmal auch viel Geduld.

«Flächendeckend über das Kirchengebiet der Refbejuso erfahren und spüren wir vom Bereich Sozial-Diakonie ein enormes Engagement der sozialdiakonischen Mitarbeitenden in den Kirchgemeinden für die von der Coronakrise betroffenen Menschen», so Deuble.
Auch die Werke und diakonischen Einrichtungen erleben die aktuelle Situation als herausfordernd. Diakonie lebe davon, dass sie sich maximal auf vorfindliche Bedürfnisse und Situationen einstellen kann, so Christoph Zingg, Gesamtleiter Sozialwerk Pfarrer Sieber, gegenüber diakonie.ch.

Von einem Tag auf den anderen hätte man die Gassencafés und zwei Notschlafstellen schliessen: Zu eng und zu viele freiwillige Mitarbeitende, die zu den Risikogruppen gehörten. «Die Ärmsten draussen lassen? Sie der Einsamkeit überlassen?», so Zingg.
Zum Glück habe man das Pfuusbusareal, den grossen Parkplatz auf dem Albisgüetli. Mit dem eingerichteten Sattelschlepper, dem grossen Vorzelt, eigenen Toiletten und Stauraum. «Dort kommen normalerweise jetzt die Sattelschlepper des Zirkus Knie. Nicht so in diesem Jahr.»

Ein weiteres Zelt sei aufgestellt worden, ein Duschwagen, ein ausgeklügeltes Zugangsschleuse eingerichtet und alle Teams aus den geschlossenen Einrichtungen zu einem neuen temporär funktionierenden Team zusammengeführt. So habe Pfuusbus 24/7 seinen Betrieb aufnehmen können und bewähre sich täglich besser.

Die, in der Stadt eine Bleibe haben, müsse man aus Platzgründen wegschicken, auch wenn man um ihre Einsamkeit und ihr Bedürfnis nach Gemeinschaft wisse. Man begleite sie mit Gassenarbeiterinnen und einem Seelsorger durch den Tag. Zingg: «Aber die, die wirklich nirgends sonst hinkönnen – für die können wir wieder da sein.»

Auch das Blaue Kreuz hält seine Suchthilfe-Angebote grundsätzlich aufrecht., betont Didier Rochat, Geschäftsführer Blaues Kreuz. Dazu habe es seine Online- und Telefon-Beratung ausgebaut. In dringenden Fällen biete es auch weiterhin persönliche Beratung an.

«Das Rückfallrisiko bei genesenen Alkoholkranken und solchen im Entzug hat sich mit der Corona-Krise deutlich erhöht. Einsamkeit und Langeweile lässt viele Menschen, übrigens auch durchschnittliche Trinker, zum Alkohol greifen», so Rochat. Mit der Isolation in den eigenen vier Wänden nähmen auch familiäre Konflikte und Gewalttaten zu. Das Blaue Kreuz unternehme alles, um das Leid der Suchtkranken auch in diesen besonderen Zeiten zu mildern.

Die Integrationsprogramme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt stünden mit der angeordneten Schliessung der Blaukreuz-Treffpunkte und -Brockenhäuser allerdings weitgehend still. Dadurch entgingen dem Blauen Kreuz erhebliche Einnahmen und Gewinnabgaben für seine Suchtarbeit. Das Blaue Kreuz sei dankbar für die Linderungsmassnahmen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und bete, dass das Land und die ganze Welt möglichst heil und innerlich gestärkt aus dieser Krise herausgehen werde.

«Seit dem Ausbruch der Pandemiekrise hat die Heilsarmee ihre Aktionen angepasst, um das Leiden der Ärmsten in unserer Gesellschaft weiterhin zu lindern», so Christine Volet-Sterckx, Mediensprecherin der Heilsarmee. An den meisten Standorten der Heilsarmee seien lokale Initiativen entstanden, die das übliche Angebot an die aktuelle Situation anpassten.

Mehrere Zentren hätten ihre Gemeinschaftsmahlzeiten und offenen Tische durch Essensausgaben ersetzt. Ebenso habe man die Sozialhilfe intensiviert und versuche so, die Risiken der Prekarität für Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren hätten oder arbeitslos seien, zu verringern. Viele Freiwillige seien an der Lieferung von Lebensmitteln oder der Aufrechterhaltung des sozialen Kontakts mit den Menschen beteiligt. Um weiter die Beziehung mit den Mitgliedern und einsame Leute zu pflegen, brauche man das Telefon oder die moderne Werkzeug wie WhatsApp und Zoom, damit alle ihre Bedürfnisse und Sorgen teilen könnten.

 

 

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