Forschungsbericht zum Zusammenhang zwischen Armut und Abhängigkeit von Unterstützung

17. Okt 2023

Beziehungen zwischen Institutionen, der Gesellschaft und Menschen in Armut in der Schweiz: eine Gewalterfahrung, die weitergeht; so lautet der Titel einer Forschungspublikation von ATD Vierte Welt.

Entstanden sei das Forschungsprojekt aus der Überzeugung heraus, dass der institutionellen Gewalt und dem Fehlen eines institutionellen Schutzes davor ein Ende gesetzt werden müsse, so ATD Vierte Welt in einer Mitteilung. Als Beispiel wurden die fürsorgerischen Zwangsmassnahmen bis 1981 genannt.

Mit dem vom Bundesamt für Justiz unterstützten Projekt sei ein kollektives Wissen erarbeitet worden, das die Beziehungen zwischen Gesellschaft, Institutionen und Menschen in Armut beleuchte und Ansätze aufzeige, wie notwendige Veränderungen möglich seien.

Die Erkenntnisse verdeutlichten, dass weiterhin ein Grossteil der Gesellschaft der Realität von Armut in der Schweiz mit Unverständnis begegne und diese ausblende, so der Forschungsbericht. Die Rechte und die Handlungsmöglichkeiten der Menschen in Armut würden oft weiterhin ohne rechtliche Grundlage eingeschränkt. Damit einher gehe eine einengende administrative Kontrolle bei der Ausrichtung sozialer Leistungen ebenso wie bei der Durchführung von Massnahmen des Kindes- und Erwachsenenschutzes.

An der Ausarbeitung der Gesetze seien armutsbetroffene Menschen nicht beteiligt, so der Bericht. Regeln werden also in Unkenntnis der Lebensrealitäten von Menschen in Armut geschaffen. Mangelndes Wissen führe zu einem Rückgriff auf Stereotypen und zu einem negativen Bild von armutsbetroffenen Personen. Armut werde weiterhin als zumeist selbstverschuldet interpretiert.

Die Schweiz habe eine lange Geschichte der Verwaltung von Armut, und in einer Leistungsgesellschaft werde die Armut meist individualisiert, heisst es weiter. In diesem Kontext bleibe die generationenübergreifende Armut ein weithin unerkanntes strukturelles Problem.

Es gehe nun darum, Armut zu erkennen, zu verstehen und anzuerkennen, Handlungsmacht zu erlangen und zu stärken, sowie den Wandel gemeinsam zu gestalten, so definiert der Bericht die Grundpfeiler für Veränderungen. Handlungsfelder, in denen Veränderungen stattfinden müssten, seien die politische Ebene und Gesetzgebung, die gesellschaftliche Ebene und Öffentlichkeit, die institutionelle Ebene sowie die wissenschaftliche Ebene und Bildung.