Nur 240 Millionen Menschen weltweit leben in offenen Staaten, in denen zivilgesellschaftliche Grundfreiheiten wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit garantiert sind. Dagegen leben etwa neun von zehn Menschen in Staaten mit beschränkter, unterdrückter oder geschlossener Zivilgesellschaft.
Das ist der Befund des aktuellen Atlas der Zivilgesellschaft, den Brot für die Welt und Civicus in diesem Jahr zum fünften Mal veröffentlicht hat. Er dokumentiert, in welchen Ländern die Zivilgesellschaft frei handeln kann und in welchen Staaten ihre Rechte bedroht, eingeschränkt oder gar außer Kraft gesetzt sind.
Inhaltlicher Schwerpunkt ist in diesem Jahr die Digitalisierung. Sie sei für zivilgesellschaftliche Organisationen und Akteure Chance und Bedrohung zugleich, so die Organisationen in einer Medienmitteilung. Einerseits könnten Aktivistinnen und Aktivisten mit digitalen Tools ihre Inhalte effizienter verbreiten und sich schneller vernetzen. Andererseits könnten Regierungen ihre Bürger viel einfacher überwachen.
Weitere digitale Bedrohungen zivilgesellschaftlicher Freiheiten seien Online-Zensur und Internetsperren, die es Regierungen ermöglichten, Meinungs- und Pressefreiheit auszuhebeln. So führe Indien die Rangliste der Internetsperren an. Allein 2020 sei das Internet über 100 Mal abgeschaltet. In Tansania gab es 2020 nur einen Shutdown des Internets, der wiederum habe mehrere Tage gedauert und einen Tag vor der Präsidentschaftswahl begonnen.
Der Atlas widme neben Indonesien, Mexiko und Tansania auch der Ukraine einen Länderschwerpunkt, so die Mitteilung. Im Bericht werde deutlich, welche Folgen russische oder pro-russische Desinformationskampagnen für weite Teile der ukrainischen und russischen Gesellschaft hätten.
Die Folgen von Fake-News-Kampagnen und jahrelanger Verfolgung und Repression von Aktivistinnen und Aktivisten siehe man aktuell vor allem in Russland. Krieg in Europa sei auch deshalb wieder möglich geworden, weil Zensur und Desinformation so groß seien, dass kein gesellschaftlicher Widerspruch mehr möglich sei. Das fortwährende Engagement von russischen Aktivistinnen und Journalisten unter Inkaufnahme größter persönlicher Risiken verlange uneingeschränkte Solidarität.