Nur noch zwei Prozent der Menschen leben wirklich frei

14. Mrz 2024

71 Prozent der Weltbevölkerung wird stark oder komplett unterdrückt, so der aktuelle Atlas der Zivilgesellschaft. Im Fokus stehen Menschen, die sich für überlebenswichtige Ressourcen wie Wasser und Land, für die Umwelt und das Klima einsetzen.

Die Unterdrückung der Zivilgesellschaft nimmt weiter zu. 2023 lebten nur noch zwei Prozent der Weltbevölkerung in Staaten mit uneingeschränkten zivilgesellschaftlichen Freiheiten. Das zeigt der 7. von Brot für die Welt veröffentlichte Atlas der Zivilgesellschaft.

71 Prozent der Weltbevölkerung, das sind rund 5,6 Milliarden Menschen, leben demnach in Ländern, in denen die Machthabenden die Zivilgesellschaft stark oder sogar komplett unterdrücken, heisst es in einer Medienmitteilung zum Atlas.

Im Fokus des aktuellen Atlas der Zivilgesellschaft stehen Menschen, die überlebenswichtige Ressourcen wie Wasser und Land schützen wollen oder sich für Klima und Umwelt einsetzen. Immer mehr Regierungen und Unternehmen bedrohen und behindern die Aktivistinnen und Aktivisten, so die Mitteilung.

Deutschland ist vor allem wegen des Umgangs mit Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten erstmals von der Kategorie „offen“ nach „beeinträchtigt“ abgestiegen. Der Atlas der Zivilgesellschaft stützt sich auf Bewertungen des weltweiten Netzwerks CIVICUS, das die Freiheitsrechte in fünf Kategorien von „offen“ bis „geschlossen“ einstuft.

„Menschen, die sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen, sind in vielen Ländern spürbar mehr Repressionen ausgesetzt als noch vor einigen Jahren. Sie gehören häufig zu indigenen Gemeinschaften und setzen sich gegen Landraub, Ölpipelines oder Fracking ein“, so Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt. Wer für stärkeren Schutz von Wäldern und Lebensräumen oder für mehr Klimagerechtigkeit kämpfe, werde immer öfter drangsaliert, verfolgt, diffamiert oder gar ermordet.

Allein 2022 wurden laut Mitteilung weltweit 177 Land-, Umwelt- und Klimaschützerinnen und -schützer getötet, die meisten von ihnen in Lateinamerika. Ein Drittel waren demnach Indigene.

Auch Deutschland ist in der Bewertung von CIVICUS erstmals von der besten Kategorie „offen“ nach „beeinträchtigt“ abgestiegen. Medienschaffende seien etwa nicht ausreichend vor Gewalt auf Demonstrationen geschützt worden. Ebenso kritisiert der Atlas der Zivilgesellschaft, dass Mitglieder der „Letzten Generation“ teils mit langer, menschenrechtlich umstrittener Präventivhaft belegt worden seien und Gerichte Gefängnisstrafen ohne Bewährung verhängt hätten.

Die Daten für den Atlas der Zivilgesellschaft basieren auf Erhebungen von CIVICUS, einem weltweiten Netzwerk für bürgerschaftliches Engagement, und der Auswertung verschiedener Quellen und Indizes, etwa zur Rede- oder Versammlungsfreiheit.

CIVICUS unterteilt die Freiheitsgrade einer Gesellschaft in fünf Kategorien: offen, beeinträchtigt, beschränkt, unterdrückt und geschlossen. Die Daten belegen, dass der Handlungsraum der Zivilgesellschaft nur in 37 Staaten „offen“ ist (Atlas 2023: 38). In 43 Staaten (Atlas 2023: 42) ist der Handlungsraum „beeinträchtigt“ – neben Deutschland auch Italien und Japan. 40 Länder (2023: 40) „beschränken“ den zivilgesellschaftlichen Handlungsraum, darunter die Ukraine und Großbritannien. 50 Staaten „unterdrücken“ die Zivilgesellschaft (2023: 50), wie etwa die Türkei und Tunesien. „Geschlossen“ ist der Raum für zivilgesellschaftliche Akteure in 27 Staaten (2023: 26), darunter Russland, Venezuela und China.

Insgesamt gibt es sieben Absteiger (Deutschland, Bosnien und Herzegowina, Kirgisistan, Senegal, Sri Lanka, Bangladesch und Venezuela). Fünf Länder haben sich im Ranking verbessert: Osttimor, Benin, Lesotho, Libyen und Madagaskar.