Die Auswertung der Daten zeige, dass Rassismus und rassistische Diskriminierung in der Schweiz für eine wachsende Anzahl Personen eine Realität seien, so das Eidgenössische Innendepartement in einer Medienmitteilung. So sagten immer mehr Menschen, dass sie rassistische Diskriminierung erlebten.
Besonders betroffen sind demnach Personen zwischen 15 und 39 Jahren sowie Menschen mit Migrationshintergrund. Beleuchtet wurden auch die Einstellungen der Bevölkerung gegenüber bestimmten Minderheiten und der Vielfalt im Allgemeinen.
Rassistische Diskriminierung umfasst jede Handlung oder Praxis, die Menschen aufgrund tatsächlicher oder zugeschriebener äusserlicher Merkmale, ethnischer Herkunft, kultureller Eigenschaften und/oder religiöser Zugehörigkeit ungerechtfertigt benachteiligt, demütigt, bedroht oder an Leib und Leben gefährdet, so die entsprechende Publikation des Departements. Rassismus und rassistische Diskriminierung betreffen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen in unterschiedlicher Ausprägung.
Rassismus äussert sich unter anderem in Feindseligkeit, welche nicht zwingend zu diskriminierenden Handlungen führt, so die Studie weiter. Diese nähre aber ein Klima, das Rassismus und Diskriminierungen gesellschaftlich tolerierbar mache. Obwohl die Bevölkerung feindselige Einstellungen gegen Schwarze, jüdische, muslimische und ausländische Personen eher ablehne, erlebten diese Gruppen Feindseligkeit.
In der Erhebung liegen die Werte laut Untersuchung auf einer Skala von 1 (Ablehnung feindlicher Einstellungen) bis 4 (Zustimmung zu feindlichen Einstellungen) zwischen 1,8 und 2,1. Dass der höchste Wert der Feindseligkeit gegenüber als ausländisch wahrgenommenen Personen gemessen werde, mache deutlich, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Schweiz zusammengedacht werden müssten.
Ein Drittel der Bevölkerung gibt laut Publikation an, sich an Personen zu stören, die sie als «anders» wahrnimmt. Der grösste Anteil – 20% jener, die sich gestört fühlen – nimmt Anstoss an der fahrenden Lebensweise. Dies, obwohl nur ein kleiner Teil der Bevölkerung tatsächlich in Berührung kommt mit Jenischen, Sinti/Manouches und Roma, die eine fahrende Lebensweise pflegen.
17 Prozent der Bevölkerung gaben laut Untersuchung 2022 an, in den letzten fünf Jahren rassistische Diskriminierung erlebt zu haben. Seit Beginn der Messung 2010 sei das eine deutliche Zunahme. Besonders betroffen seien junge Menschen und Personen mit einem Migrationshintergrund.
Obwohl 1,2 Millionen Menschen in der Schweiz angegeben hätten, in den letzten Jahren rassistische Diskriminierung erlebt zu haben, würden nur die wenigsten Fälle gemeldet. Zwar verzeichneten die Beratungsstellen in den letzten Jahren eine kontinuierliche Zunahme an Fällen. Die Diskrepanz deute trotzdem auf eine riesige Dunkelziffer hin.
Rassistische Diskriminierung komme in allen Lebensbereichen vor, sei es im Büro, am Schalter, im Klassenzimmer, oder im Tram, so die Mitteilung weiter. In der Erhebung “Zusammenleben in der Schweiz” und bei den Beratungsfällen des Beratungsnetzes für Rassismusopfer sei die Arbeitswelt seit Langem und mit steigender Tendenz der am Häufigsten genannte Bereich. Demnach gaben 69 Prozenz der Personen, die rassistische Diskriminierung erlebt haben, 2022 an, im Arbeitsalltag oder bei der Arbeitssuche diskriminiert worden zu sein.
Die Art der Diskriminierung sei vielfältig, so die Medienmitteilung. Sie reiche von ungerechtfertigter Benachteiligung im Bewerbungsverfahren über Beleidigungen und Mobbing am Arbeitsplatz bis zu Lohndiskriminierung. An zweiter und dritter Stelle stehen mit 30 Prozent der öffentliche Raum und mit 27 Prozent die Schule.
Die Daten weisen darauf hin, dass es weitere Massnahmen zur Sensibilisierung und Wissensvermittlung braucht, so die Untersuchung. Dies, um Alltagsrassismus und Benachteiligungen auch struktureller Art zu vermeiden und die Betroffenen besser zu schützen. Zivilgesellschaftliche Projekte leisteten dafür wichtige Arbeit.
Dazu kommt, dass zwar 60 Prozent der Bevölkerung finden, Rassismus in der Schweiz sei ein ernstes Problem, dieser Anteil aber laut Bundesamt seit Messbeginn deutlich zurückgegangen sei. So habe dieser 2016 bei 66 und 2010 sogar bei 71 Prozent gelegen.
Gleichzeitig erklärten sich laut Bericht 80 Prozent der Bevölkerung bereit, sich mit mindestens einer konkreten Aktion persönlich gegen Rassismus zu engagieren – zum Beispiel eine Petition zu unterzeichnen oder eine rassistische Diskriminierung online zu melden. Demgegenüber lag der Anteil jener, die in einer konkreten Situation gegen Rassismus einschreiten würden, wesentlich tiefer. Nur gerade 8 Prozent gaben gemäss Bundesamt an, sowohl bei einer Situation von «racial profiling», rassistischen Handlungen in öffentlichen Verkehrsmitteln und einem rassistischen Vorfall bei der Arbeit einzugreifen.
Bei Behörden und Organisationen seien Schritte der institutionellen Öffnung gefragt: So müssten etwa Personalprozesse und das Erbringen von Dienstleistungen so gestaltet sein, dass niemand absichtlich oder unabsichtlich ausgeschlossen werde und die Diversität aktiv berücksichtigt und gefördert werde.
Das Monitoring mache deutlich, dass es Handlungsbedarf auf vielen Ebenen gebe, so die Mitteilung weiter. So brauche es vermehrt einen Fokus auf strukturellen Rassismus etwa auf dem Arbeitsmarkt oder in der Schule. Dieser zeige sich in gesellschaftlich verankerten Werten, Handlungen und Vorurteilen, die ihren Ausdruck in hartnäckiger Benachteiligung oder Ausgrenzung bestimmter Gruppen fänden.
Angesichts des wachsenden Ausmasses an rassistischen Inhalten im Netz und deren Einfluss auf die analoge Welt sollten Massnahmen immer auch digital gedacht werden, so die Untersuchung weiter. Neben gesetzlichen Regulierungsbestrebungen müssten Nutzerinnen und Nutzer für einen respektvollen und diskriminierungsfreien Umgang sensibilisiert sein.
Es brauche institutionelle Massnahmen, um alle Menschen besser vor Diskriminierung zu schützen. Die steigenden Zahlen bei den Beratungsfällen und die zunehmende Komplexität der Fälle zeige zudem den Bedarf nach ausreichender und nachhaltiger Finanzierung der Beratungsangebote.
Im Monitoring der Fachstelle für Rassismusbekämpfung werden gemäss Mitteilung verschiedene Datenquellen analysiert und zusammengeführt. Diese seit 2010 alle zwei Jahre erscheinende Gesamtschau macht Rassismus und rassistische Diskriminierung in ihren individuellen, institutionellen und strukturellen Ausprägungen sichtbar. Ziel des Monitorings ist es, eine faktenbasierte, wirksame Antirassismuspolitik entwickeln zu können, heisst es.
Bild: Ausschnitt der Titelseite der Broschüre, Fachstelle für Rassismusbekämpfung FRB