Interreligiöser Thinktank fordert inklusiveren Gesellschaftsvertrag

Interreligiöser Thinktank fordert inklusiveren Gesellschaftsvertrag

Die Schweiz ist keine vollständige Demokratie, so der Interreligiöse Thinktank, denn viele dauerhaft in ihr lebende Menschen hätten keinen Schweizer Pass. Auch gelte die Religionsfreiheit nicht für alle Religionsgemeinschaften in gleichem Masse.

Jede vierte in der Schweiz lebende Person verfüge nach wie vor über keine politische Mitbestimmung, so der Interreligiöse Thinktank in einer Medienmitteilung. Zwei Millionen Menschen seien es aktuell, die in der Schweiz zuhause seien, arbeiteten und Steuern zahlten. Doch politisch mitentscheiden und die Zukunft des Landes mitgestalten dürften sie nicht.

Eigentlich wäre zu erwarten, dass in einer Demokratie alle volljährigen Menschen, welche dauerhaft dort wohnten und Steuern bezahlten, das Wahl- und Stimmrecht besitzen sollten, so die Mitteilung. Doch sei das Gegenteil der Fall. Die Einbürgerung erweise sich häufig als Hindernislauf mit hoch gesetzten Hürden, und das Einbürgerungsverfahren sei oft willkürlich, auch weil Kantone und Gemeinden ihre jeweils eigenen Voraussetzungen festlegten und eigene Verfahren anwendeten.

So variiere das Einbürgerungsverfahren je nach Kanton und Gemeinde sehr stark und könne unterschiedlich lange dauern und unterschiedlich viel kosten. Dies führe dazu, dass die Anforderungen schweizweit sehr ungleich seien, was heute zunehmend als ungerecht und stossend empfunden werde, so die Mitglieder.

Der Thinktank unterstütze die Volksinitiative für ein modernes Bürgerrecht. Die Initiative fordert: Wer seit fünf Jahren rechtmässig in der Schweiz lebt, wer nicht zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, wer die innere und äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet und Grundkenntnisse in einer Landessprache hat, erhält den Schweizer Pass. Einbürgerung solle anhand objektiv messbarer und klarer Kriterien erfolgen. Ein Staat, in dem ein Viertel der Wohnbevölkerung von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen sei, habe eine schwache demokratische Abstützung, was längerfristig destabilisierend wirken könne.

Auch sei die Religionsfreiheit bis heute ein umstrittenes Grundrecht, das in jüngerer Zeit durch das Minarett- und Burka-Verbot wieder eingeschränkt worden sei. Damit seien mit Mitteln der Demokratie in der Bundesverfassung Verbote verankert worden, die explizit gegen eine bestimmte Religionsgemeinschaft gerichtet seien. Ein Teil der Schweizer Bevölkerung werde ungleich behandelt und stigmatisiert, so der Thinktank.

Wie der neueste Bericht der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus zum zeige, hätte sich in den vergangenen Jahren das Problem hasserfüllter, hetzerischer, rassistischer und diskriminierender Äusserungen gegenüber Musliminnen und Muslimen in sozialen Netzwerken zugespitzt. Doch auch allgemein in der Bevölkerung seien negative Stereotypen und Vorurteile gegenüber dem Islam und den Musliminnen und Muslimen stark verbreitet.

Allerdings zeichnen sich laut Mitteilung einige positive Entwicklungen ab. So gebe es neu in der Schweizer Armee einen muslimischen und zwei jüdische Armeeseelsorger. In einigen Kantonen arbeiteten schon seit längerem neben christlichen vereinzelt auch muslimische Seelsorgende in Spitälern, Alters- und Pflegezentren, im Unterschied zu den christlichen allerdings nur auf ehrenamtlicher Basis, wobei es hier ebenfalls positive Entwicklungen gebe. Auch in Bundesasylzentren seien schweizweit momentan sieben muslimische Seelsorgerinnen und Seelsorger unterwegs, die gemäss dem neuen Asylgesetz inskünftig vom Bund entschädigt werden sollten.

Weiter weisen gemäss Mitteilung viele Religionsgemeinschaften in ihren internen Ordnungen diskriminierende Elemente besonders bezüglich der Gleichstellung von Mann und Frau auf. Die Frage, inwieweit solche Gewichtungen heute noch vertretbar seien und wie gesellschaftlich und rechtlich mit der Spannung zwischen dem Grundrecht der Religionsfreiheit und anderen Grundrechten umzugehen sei, werde in einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft zunehmend dringlich werden.

Die demokratische Verfassung der Schweiz sei ein hohes und kostbares Gut, dem es Sorge zu tragen gelte, auch angesichts der Situation, dass die demokratische Staatsform in vielen europäischen Ländern zunehmend unter Druck gerate und es auch in der Schweiz Gruppierungen gebe, die den Staat als Feind betrachteten und seine Institutionen grundsätzlich in Frage stellten.

Die Demokratie brauche Bürgerinnen und Bürger, die dem Staat loyal gegenüberstehen, von ihrer politischen Mitsprache Gebrauch machen und ihre Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft wahrnehmen, so der Thinktank.