In der Schweiz sind jährlich mehr als 300’000 über 60-Jährige von irgendeiner Form von Gewalt betroffen, so Pro Senectute in einer Medienmitteilung. Nur wenige der betroffenen Seniorinnen und Senioren holten sich jedoch Hilfe. Es gibt verschiedene Gründe dafür, so die Mitteilung weiter: Die einen schämen sich für ihre Situation. Andere fürchten die Konsequenzen, zum Beispiel in ein Altersheim abgeschoben zu werden. Wieder andere wissen nicht, an wen sie sich wenden können.
Die Überalterung der Bevölkerung und der Wunsch von 83 Prozent der Senioren, so lange wie möglich zu Hause gepflegt zu werden, führten zu immer komplexeren Situationen zu Hause, so die Plattform Alter ohne Gewalt zum Thema. 6 von 10 alten Menschen würden heute in der Schweiz zu Hause gepflegt. In immer kleineren Familien stünden die Betreuenden unter großem Druck. Um Missbrauch zu verhindern, müsse er nicht nur erkannt, sondern auch charakterisiert werden. Die Verhinderung von Situationen der Misshandlung älterer Menschen erfordere daher Information und Ausbildung.
Nicht immer geschehe eine Misshandlung absichtlich, sie könne sogar mit guten Absichten geschehen, so zum Beispiel bei Überfürsorge oder Überstimulation, so Alter ohne Gewalt weiter. Entscheide, getroffen von innerfamiliären oder professionellen Unterstützenden, über den Kopf des älteren Menschen hinweg, missachteten die Autonomie und verletzten die Grundrechte der Betroffenen.
Gewaltsituationen fänden sehr oft unbemerkt im Privatbereich statt. Häusliche Gewalt an älteren Menschen gehe meistens mit der Überforderung von pflegenden Angehörigen einher. Die Gewaltformen reichten von physischer (Würgen, Schlagen), psychischer (Demütigungen, Drohungen, Vorwürfe) über finanzielle (Erbschleicherei) und sexualisierte Gewalt (Belastung durch Pornografie) bis hin zu Vernachlässigung (unangemessene Nahrung, fehlende Verabreichung von notwendigen Medikamenten). Nicht immer liege bei der Misshandlung ein Straftatbestand vor. Demütigungen oder Drohungen, die psychische Gewalt, könnten sich schleichend manifestieren. Misshandlung frühzeitig zu erkennen, helfe grosses Leid zu verhindern.
Die Schweizerische Kriminalprävention, kantonale und städtische Polizeikorps, die Opferhilfe Schweiz und das nationale Kompetenzzentrum Alter ohne Gewalt lancierten im März 2023 eine schweizweite Präventionskampagne gegen Gewalt im Alter.
Alter ohne Gewalt eröffnete im Februar 2022 das erste nationale Kompetenzzentrum für Gewalt und Misshandlung an Seniorinnen und Senioren. Die drei selbstständigen Organisationen alter ego, Westschweiz, Pro Senectute Ticino e Moesano, Südschweiz, und die Unabhängige Beschwerdestelle für das Alter UBA, Deutschschweiz, gaben sich mit der Gründung des nationalen Kompetenzzentrums Alter ohne Gewalt ein Dach. Sie intensivierten damit ihre Aufklärungsarbeit zur Verhinderung von Gewalt im Alter.