Ein Online-Tool verspricht mehr Work-Life-Balance
Das Arbeits- und Privatleben unter einen Hut zu bekommen, ist zuweilen eine sportliche Angelegenheit. Viele Faktoren spielen hier mit. Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften St.Gallen hat dafür ein Online-Instrument entwickelt. „Mit dem Vereinbarkeitssimulator zur Work-Life-Balance“, heisst es da.
Standards sind so eine Sache. Nicht alle finden sich damit ab, aus ganz verschiedenen Gründen. Was für viele Situationen gilt, stimmt auch im Arbeitsleben. Vielleicht existiert in den Köpfen von Arbeitgebenden die betriebliche Idealsituation, nur ist diese letztendlich genauso persönlich gefärbt wie die entsprechenden Vorstellungen der Arbeitnehmenden. Was die eine freut, belastet den anderen.
„Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielen betriebliche Massnahmen eine wichtige Rolle“, stellt dann auch die Hochschule für Angewandte Wissenschaften St.Gallen fest. Diese hat in einem interdisziplinären Forschungsprojekt einen „Vereinbarkeitssimulator“ für Unternehmen entwickelt. Hinter dem etwas sperrigen Titel verbirgt sich ein Online-Tool, das Arbeits- und Privatleben miteinander optimieren soll. Oder sogar versöhnen, je nachdem.
Material
Ziel des Simulators ist ein Dialog zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitenden inklusive ihrer Angehörigen.
Denn je nach Lebenslage benötigten Angestellte individuell gestaltete Arbeitsorganisationsmodelle, stellen die Forscher fest: „Das fordert Unternehmen heraus: Wollen sie als attraktive Arbeitgeber gelten, müssen sie ihre Arbeitsorganisation den Anforderungen der Mitarbeitenden anpassen“.
Also Wunschkonzert? Nein, denn das Ziel des Simulators sei „ein Dialog zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitenden inklusive ihrer Angehörigen“. Die erkannten Probleme sollen als Grundlage dienen von Entscheidungs- und Umsetzungshilfen für Mitarbeitende und Unternehmen, um entsprechende Massnahmen einzuleiten. Gefragt seien Konzepte für eine lebenslagen- und generationenspezifische Work-Life-Balance, mit deren Hilfe die unterschiedlichen Phasen des Berufslebens gemeistert werden könnten. So können Arbeitnehmer etwa ihre Einkommensverhältnisse anpassen und sich durch mehr Einkommen und eine dadurch ermöglichte Haushaltshilfe mehr Zeit erkaufen.
So ist der Vereinbarkeitssimulator entstanden
Wie Unternehmen Work-Life-Balance fördern können, hat die FHS St.Gallen exemplarisch an der Personengruppe von Vätern und ihren spezifischen Lebenslagen erarbeitet. In Zusammenarbeit mit mehreren Unternehmen und gefördert durch das Eidgenössische Gleichstellungsbüro fanden Workshops und Evaluationen statt, die zum Ergebnis kamen, dass in den Unternehmen „ein faires Geben und Nehmen bestehen muss, damit das Betriebsklima und die Atmosphäre zu Hause stimmt und sich niemand benachteiligt fühlt“.
So funktioniert der Vereinbarkeitssimulator
Der Simulator stellt eine Reihe von Fragen zur Lebenslage und verdeutlicht Unzufriedenheit und Belastungen. In einem zweiten Schritt werden Ideen und Hilfsmassnahmen festgelegt, mit denen die ermittelten Unzufriedenheiten und Belastungen vermindert werden können. Am Ende steht eine Planung, die Möglichkeiten zum Zeitmanagement und betrieblicher Hilfen aufzeigt.
Neben einer recht schlicht gehaltenen Oberfläche wirkt der Vereinbarkeitssimulator auf den ersten Blick sehr komplex, was nicht zuletzt das kurze, aber enorm dichte Erklärvideo belegt. Entsprechend weist die FHS darauf hin, dass es einen „idealtypischen Ablauf“ gibt, bei dessen Befolgen die Sache am besten funktioniert. Dafür wurde ein Leitfaden entwickelt, der „idealtypische Vereinbarkeitsmassnahmen“ beschreibt.
Der Vereinbarkeitssimulator ist Teil des Projektes „Unser Unternehmen – ein attraktiver Arbeitgeber für Angestellte in ihren spezifischen Lebenslagen“. Die Software werde bereits rege genutzt, betont die FHS-Kommunikationsverantwortliche Lea Müller gegenüber diakonie.ch. Das Projekt sei mit der Veröffentlichung des Simulators abgeschlossen. Derzeit werde ein Folgeprojekt angedacht mit dem Ziel, eine App zu entwickeln, die sich spezifisch auf die Lebenslagen ausrichtet. Die Umsetzung sei jedoch noch von beantragten Forschungsgeldern abhängig.
Flexibel, aber ausgebrannt?
Die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt und der Druck der ständigen Erreichbarkeit sind schlecht für die Gesundheit und das Familienleben. Gleichzeitig sind die Menschen dem technischen Fortschritt gegenüber aufgeschlossen. Ein Blick auf zwei aktuelle Studien.