Aufruf zum Flüchtlingssonntag und Flüchtlingssabbat 2017
Die Schweizer Landeskirchen und die jüdische Gemeinschaft empfehlen einen Perspektivenwechsel in der Flüchtlingsfrage. Zuerst ist jeder Flüchtling ein Geschöpf Gottes und kein Problem, schreiben sie im gemeinsamen Aufruf zum Flüchtlingssabbat und Flüchtlingssonntag am 17. und 18. Juni diesen Jahres.
Ein Ende der Fluchtursachen sei nicht in Sicht, schreiben die unterzeichnenden Religionsführer. Die Aufgabe bestehe darin, der Spannung nicht auszuweichen und sie an politische Parteien zu delegieren, sondern sie auszuhalten und eigene Akzente zu setzen. Diese “Entängstigung” könne dazu führen, jede Woche neu auf eine fremde Person zuzugehen.
Der Text der Erklärung im Wortlaut:
“Endlich – wir haben die Lösung für die Flüchtlinge!” Dieses Versprechen lockt. Ob aufgewühlt, erschöpft oder abgebrüht von den täglich neuen Bildern und Berichten, wir sehnen uns nach der Lösung für die Flüchtlinge. Was für eine Lösung? Nein, weder Mauern noch offene Grenzen, weder neutralisierte Schlepperbanden noch eine flächendeckende Rettung von Flüchtlingen in Seenot erweisen sich als “die Lösung”. Noch weniger ist das Ende aller Ursachen in Sicht, die Frauen, Männer und Kinder in die Flucht treiben.
Es ist kaum vorstellbar, dass wir das „Problem“ in den Griff bekommen. Das Ende aller Kriege ist nicht absehbar; es scheint auf einen fernen Tag verschoben. Aber haben wir nicht trotzdem Anlass zur Hoffnung? Ist es nicht unsere Aufgabe, mit der Spannung zwischen Gegenwart und Zukunft bewusst umzugehen, sie auszuhalten und in diesem Spannungsfeld unsere eigenen Akzente zu setzen?
Wagen wir einen Perspektivenwechsel! Wie wäre es denn, wenn wir uns durch Flüchtlinge dazu ermuntert fühlen, dieser Spannung nicht vorschnell auszuweichen oder sie an politische Parteien zu delegieren? Wie wäre es, wenn ich in einem Flüchtling statt einem Problem für unsere Gesellschaft zuerst ein Geschöpf Gottes sehe? Wie wäre es, wenn wir uns „entängstigen“, indem wir um Vertrauen und Zuversicht ringen? Was, wenn ich kleinen konkreten Taten Raum gebe, indem ich zum Beispiel jede Woche neu auf eine fremde Person zugehe, mich auf sie einlasse?
Wo viele solcher kleinen Schritte sich ereignen, wo ein bewusstes Aushalten, wo menschliches Wahrnehmen statt Wegschauen stattfindet, da sind wir Gott ein Stück näher.