Globale Ziele für Nachhaltige Entwicklung sind nicht auf Kurs

Globale Ziele für Nachhaltige Entwicklung sind nicht auf Kurs

Nur bei 12 Prozent der Indikatoren zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen der Weltgemeinschaft läuft es gut, so Brot für die Welt. Die Subventionen für fossile Energien steigen weiter, verbindliche Rahmenbedingungen fehlen.

2015 setzte sich die internationale Staatengemeinschaft mit der Agenda für nachhaltige Entwicklung ein ambitioniertes Ziel für eine zukunftsfähige Welt bis 2030. Jetzt zur Halbzeit der Agenda 2030 falle die Bilanz sehr ernüchternd aus, so Brot für die Welt, die Diakonie Deutschland und weitere Organisationen in einer Mitteilung zu einer Konferenz zum Thema in Berlin.

Global laufe nur bei 12 % Indikatoren zu den Entwicklungszielen die Umsetzung gut, bei 50 % seien sie unzureichend und bei 30 % stagnierend oder sogar negativ, wird Prof. Imme Scholz, Vorsitzende der Heinrich-Böll-Stiftung, in der Mitteilung zitiert. Noch immer würde zu oft nicht nachhaltig produziert und konsumiert. Auch die Subventionen von fossilen Energien würden immer noch ansteigen, statt zurückgehen. Es brauche mehr Kapazitätsstärkung für nachhaltige Entwicklung in den Institutionen, damit verbindliche Rahmenbedingungen und aktive Maßnahmen für die Transformation geschaffen werden können.

Vier Jahre seien vergangen, seit der Globale Bericht für nachhaltige Entwicklung 2019 veröffentlicht wurde, und selbst damals sei die Welt nicht auf dem Weg gewesen, die Nachhaltigen Entwicklungsziele zu erreichen, heisst es im vorläufigen UN-Bericht des aktuellen Jahres. Seit 2019 hätten sich die Herausforderungen vervielfacht und verschärft.

Die Welt sei an einigen Fronten vorangekommen, etwa bei der Einführung von kohlenstofffreien Technologien als eine von vielen Strategien zur Eindämmung des Klimawandels. In vielen Bereichen seien die Fortschritte jedoch gestoppt worden, was zum Teil auf das Zusammentreffen mehrerer Krisen zurückzuführen sei, darunter die anhaltende Pandemie, die steigende Inflation und die Lebenshaltungskostenkrise, die planetarische, ökologische und wirtschaftliche Notlage sowie regionale und nationale Unruhen, Konflikte und Naturkatastrophen.

Infolgedessen seien die allgemeinen Fortschritte bei der Umsetzung der Agenda 2030 und der SDGs in den letzten drei Jahren stark beeinträchtigt wordemn, doch jeder Zentimeter Fortschritt sei wichtig und zähle. Bei der Arbeit als menschliches Kollektiv müssten Zeit und Ressourcen so vernünftig und effektiv wie möglich genutzt werden, heisst es im Bericht weiter.

Die Welt verändere sich in rasantem Tempo. Auf halbem Weg zum Jahr 2030 werde es immer dringlicher, eine Dynamik aufzubauen, Solidarität zu zeigen und die Fortschritte bei den SDGs zu beschleunigen. Um dies zu erreichen, müssten die Entscheidungsträger Zeit und Ressourcen so sinnvoll und effektiv wie möglich einsetzen und einen systematischen und strategischen Ansatz wählen, um Veränderungen voranzutreiben und zu beschleunigen.

Eine Umfrage unter 60 Ländern habe ergeben, dass bis 2021 75 Prozent der Regierungen SDG-Strategien und Aktionspläne entwickelt hätten. Viele Kommunalverwaltungen hätten ihre Bemühungen verstärkt, indem sie freiwillige lokale Überprüfungen oder andere SDG-Strategien entwickelt hätten. Internationale Organisationen und Institutionen hätten sich die SDGs weitgehend zu eigen gemacht und ihre politischen Agenden neu ausgerichtet.

Auch der private Sektor engagiere sich stärker durch auf die SDGs ausgerichtete Unternehmensstrategien, obwohl die Gefahr bestehe, dass zu viele Forderungen gestellt werden und ein SDG-Washing stattfinde. Angesichts der großen SDG-Finanzierungslücken in den Entwicklungsländern seien innovative Finanzierungslösungen entwickelt worden, das Ungleichgewicht und die Ungerechtigkeit in der internationalen Finanzarchitektur würden angeprangert, und es gebe starke Forderungen nach einer Reform.

In dem Bericht werden bestehende Szenario-Projektionen für den Fortschritt bei den SDGs auf verschiedenen Pfaden untersucht. Im Allgemeinen deuteten diese darauf hin, dass die SDGs bis 2030 oder sogar 2050 unerreichbar bleiben würden, wenn sich nichts änderte. In Schlüsselbereichen wie der Verringerung der extremen Armut und der Konvergenz der globalen und nationalen Einkommen würden Fortschritte erzielt werden. Die Fortschritte bei den Zielen in Bezug auf Unterernährung und Governance wären jedoch minimal.

Gleichzeitig würde die Welt Rückschritte bei der Luftverschmutzung und den damit verbundenen gesundheitlichen Auswirkungen, der landwirtschaftlichen Wassernutzung, der relativen Armutsquote, der Lebensmittelverschwendung, den Treibhausgasemissionen, der biologischen Vielfalt und der Stickstoffnutzung machen.

Ehrgeizigere Szenarien für eine nachhaltige Entwicklung zeigten, dass durch entschlossenes Handeln bis 2030 große Fortschritte bei den SDGs erzielt werden könnten, so der Bericht weiter. Ein ehrgeiziges “SDG-Push”-Szenario würde zum Beispiel den Sozialschutz verbessern, die Regierungsführung stärken, eine grüne Wirtschaft fördern, die digitale Disruption bekämpfen und gleichzeitig die Sekundarschulbildung und die Wissenschaft verbessern.

Bis 2030 könnte dies 124 Millionen Menschen zusätzlich aus der Armut befreien und 113 Millionen Menschen weniger unterernähren. Dies würde auch bei anderen SDGs in den Bereichen Gesundheit, Ernährung und Bildung zu Erfolgen führen. Dennoch gäbe es immer noch Lücken, was zeige, dass wirklich transformative Initiativen und bahnbrechende Interventionen erforderlich seien.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze stimmt laut Mitteilung von Brot für die Welt im Interview während der Berliner Konferenz zu und sieht besonders bei der Weltbank und anderen Entwicklungsbanken eine zentrale Rolle. Diese müssen ihre Geschäftsmodelle ändern und in ihren Förderinstrumenten endlich Gemeinwohl und Klimaschutz integrieren.

Dr. Boniface Mabanza Bambu von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika kritisierte laut Mitteilung zudem, dass Nachhaltigkeit vielerorts heute zum grünen Anstrich für alte Konzepte werde, die globale Ungleichheit nicht abbauen, sondern verstärken. Länder des Globalen Südens seien weiterhin zu wenig beteiligt an globalen Prozessen.

Krisenbewältigung und Umsetzung der SDGs werden aktuell in der Politik oft sowohl national als auch international als gegensätzliche Alternativen angesehen, dabei gehören sie unbedingt zusammen, wird Pfarrerin Dr. Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe, zitiert. Mehr Nachhaltigkeit hier in Deutschland bedeuteten bessere Perspektiven für die Partnerinnen und Partner weltweit.

Die Angst vor Veränderungen sei aktuell grösser als die Angst vor den Folgen der ökologischen Krise, so Prof. Stefan Brunnhuber, Ökonom und Club of Rome-Mitglied, laut Mitteilung. Hier müsse man ansetzen und die nötigen Transformationen als etwas vermitteln, was eine bessere Zukunft ermöglichen kann. Menschen könnten – anders als andere Lebewesen- sich gegenseitig Geschichten erzählen und sich so gemeinsam in eine andere Richtung bewegen.