Caritas Schweiz fordert Stärkung der Familienpolitik

18. Mai 2022

Für viele Menschen reicht das Einkommen nicht, auch wenn es knapp über der offiziellen Bemessungsgrenze liegt, so Caritas Schweiz. Familien seien besonders oft betroffen.

In der Schweiz leben nach offiziellen Zahlen 722 000 Menschen unter der Armutsgrenze. Fast zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung sind also von Armut betroffen – und diese Zahlen stammen noch aus der Zeit vor der Corona-Pandemie, so Caritas Schweiz in einer Medienmitteilung. Das Bundesamt für Statistik (BFS) lege diese Armutsgrenze fest und orientiere sich dabei am Existenzminimum der Sozialhilfe.

Eine vierköpfige Familie habe gemäss dieser Berechnung insgesamt rund 3 900 Franken im Monat zur Verfügung. Damit müsse sie alle Ausgaben des täglichen Bedarfs inklusive Wohnungsmiete decken. Wer auch schon nur 50 Franken mehr im Monat zur Verfügung habe, gelte offiziell nicht mehr als arm. Wenn das Einkommen etwas höher sei als das Existenzminimum in der Sozialhilfe, dann bestehe kein Anspruch auf diese Unterstützung.

Zusammen mit Forschenden der Berner Fachhochschule hat Caritas Schweiz am Beispiel des Kantons Bern untersucht, wie viele Haushalte sich knapp über der Armutsgrenze in finanziell schwierigen Lebenslagen befinden und welche Haushaltsformen davon besonders betroffen sind. Bei einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage um 500 Franken würde sich in Bern die Armutsquote von 7,7% auf 14,4% verdoppeln.

Die Untersuchung belege, dass sich in dem kritischen Einkommensbereich knapp über der Armutsgrenze besonders viele Familien befänden. Die Ursachen dafür seien strukturell. Daher müssten die Lösungen bei den Rahmenbedingungen ansetzen.

Caritas Schweiz fordert von der Politik Massnahmen, damit Haushalte knapp über der Armutsgrenze finanziell entlastet werden. Der grösste Handlungsbedarf bestehe darin, in Familien zu investieren, denn kostengünstige familienexterne Kinderbetreuungsangebote seien der Schlüssel für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch müsse der finanzielle Spielraum von Familien gezielt erhöht werden. So genannte Familien-Ergänzungsleistungen, die es bereits in verschiedenen Kantonen gibt, sollten flächendeckend eingeführt werden. Auch das Bildungs- und Weiterbildungsangebot für Erwachsene müsse erweitert werde, damit die Menschen nicht im Tieflohnsegment stecken bleiben.