Eurocarers warnt in einem neuen Positionspapier vor gravierenden Lücken in der Langzeitpflege in Europa. Versorgung sei vielerorts weder ausreichend zugänglich noch bezahlbar, so dass Angehörige, Freundinnen und Freunde weiterhin einen Grossteil der Betreuung schultern. Um Beruf und Betreuung zu vereinbaren, greife ein wachsender Teil dieser informellen Pflegenden auf migrantische Betreuungskräfte zurück – häufig als Live-in-Arrangements im häuslichen Umfeld. Diese Lösungen füllten zwar Versorgungslücken, gingen aber mit erheblichen Belastungen und Risiken einher, die Angehörige ebenso treffen wie die betreuten Personen und die migrantischen Arbeitskräfte, heisst es in dem Papier, das im Rahmen der Kampagne „Invisible no more: Let’s see & value migrant care“ zum European Carers Day am 6. Oktober vorgelegt wurde.
Beschrieben werden finanzielle Hürden für Familien, der Eingriff in die Privatsphäre, erhebliche organisatorische und rechtliche Unsicherheiten für Angehörige in der Arbeitgeberrolle sowie ungelöste Qualitätsfragen. Sprachliche und kulturelle Barrieren erschwerten eine gelingende Pflegebeziehung; zugleich fehlten häufig Training, Supervision und Einbindung der Live-in-Kräfte in lokale Versorgungsstrukturen. Eurocarers verweist zudem auf die psychische Belastung vieler Migrantinnen und Migranten, die isoliert arbeiten und von der Familie getrennt leben. Exemplarische Länderblicke, etwa nach Österreich und Italien, illustrieren die Systemrelevanz, aber auch die Schattenseiten eines rasch gewachsenen, teils informellen Marktes – inklusive der ambivalenten Rolle privater Vermittlungsagenturen.
Auf dieser Basis formuliert Eurocarers sieben Handlungsfelder: Priorität für den Ausbau wohnortnaher, bezahlbarer und qualitativ gesicherter Langzeitpflege; Sichtbarkeit und Wertschätzung der migrantischen Care-Arbeit; Information, Beratung und Entlastung für informelle Pflegende in der Arbeitgeberrolle; rechtliche Absicherung und Zugang zu Arbeits- und Sozialrechten; Qualitätsentwicklung durch Sprach- und Fachqualifizierung, Anerkennung von Kompetenzen und psychosoziale Unterstützung; klare Regulierungen samt Durchsetzung und mehrsprachiger Leitfäden; sowie die Förderung innovativer, gemeinwesenorientierter Misch-Care-Modelle, die formelle und informelle Leistungen partnerschaftlich verzahnen. Ziel sei eine Abkehr von der „Schnellreparatur“ hin zu reformierten, integrierten Pflegearrangements, die die Menschenrechte und den gesellschaftlichen Wert von Care in den Mittelpunkt stellen.
Unterstützt wird die Veröffentlichung vom gesamteuropäischen Diakonie-Dachverband Eurodiaconia. Dieser hebt zum European Carers Day die gemeinsame Botschaft hervor, dass Europa migrantische Care-Arbeit nicht länger als Notpflaster missbrauchen dürfe, sondern Anerkennung, Rechte und „echte Investitionen in nachhaltige Pflege“ brauche. „On European Carers Day, we say: invisible no more“, wird Claire Champeix, Senior Policy Officer von Eurocarers, zitiert.
